Samstag, 11. November 2017

Sanary: Für das FBI so eine Art Kiautschou

Als Ludwig Marcuse (Bild: Monacensia) in den Vereinigten Staaten eingebürgert werden sollte, wurde er, wie andere auch, von den US-Diensten ausgefragt:
„Please tell us something about the German colony Sanary.“
Den Amerikanern mußte Sanary so etwas sein wie Togo oder Deutsch- Ostafrika oder das chinesische Pachtgebiet Kiautschou, Kolonialgebiet jedenfalls. Es kostete Marcuse einiges an historischer Nachhilfearbeit und Überzeugungskraft,
„für die freundlich-neugierigen Investigatoren klarzustellen, daß wir Deutsche selbst in Hitlers bester Zeit Sanary nicht zu jener ‚Kolonie‘ des Vaterlands gemacht hatten“.  
Auf der Briefmarke zum 100sten Geburtstag
fehlte der "Geheimreport"
Wesentlich detaillierter hatte sich Carl Zuckmayer für die Amerikaner ans Werk gemacht. Sein "Geheimreport" verzeichnet rund 150 Portraits von Kulturschaffenden, natürlich Theater- und Filmschauspielern, vielen Journalisten und Literaten bis hin zu Kabarettisten.

Der Autor des „Hauptmann von Köpenick“ erhielt größtes Lob von seinen Auftraggebern:
„Ihre Arbeit ist so gut. Wenn Sie nicht schon berühmt wären, könnten Sie es damit werden“,
schrieb ihm Emmy Rado, seine Führungsoffizierin vom Office of Strategic Services. Und ähnlich bewerteten es fast sechzig Jahre später auch die deutschsprachigen Feuilletons. Dabei hatte Zuckmayer in Einzelfällen einen ziemlichen Spagat unternehmen müssen, schrieb auch über Kollegen, die er viel zu wenig kannte und bewegte sich, mit dem Versuch allen gerecht zu werden, trotzdem entlang der Grenze zur Denunziation. Da mußte er seine ehemaligen Kollegen klassifizieren und schuf die Widerstrebend-Zuverlässigen, die Nutznießer, den verhuschten Selbstsüchtigen, den geldgierigen, bekennenden Feigling und zu allerletzt „die Kreaturen“, wie er die „Nazipublizisten“ verachtungsvoll bezeichnete. Filmleute in erster Linie - wie Hans Albers, Gustaf Gründgens, Heinz Rühmann, Theo Lingen -, aber auch Autoren wie Benn, Ernst Jünger, Kästner oder Edschmid. Hilfreich kommentiert ist das Buch erst 2002 in Deutschland erschienen.