Samstag, 28. Juli 2018

Grignan: Marquise de Sévigné

Geistreiche Briefeschreiberin des 17. Jahrhundert
Jeder hat so seinen Punkt auf der Fahrt in den Süden, an dem er sagt, jetzt sei er „da“. Für mich ist es das Hinweisschild zum Château Grignan, auf dem die Schreibfeder der Marquise de Sévigné auf deren mehrere hundert überlieferte Briefe verweist. Wer diese Briefe liest, befindet sich mitten in einer Aphorismensammlung. „Tout ce que j’aimerais faire est illégal, immoral ou fait grossir“ schrieb sie am 18. April 1696. Überlegen Sie einmal, von wem alles sie dieses geflügelte Wort, schon wie gerade aus einem guten Gedanken entwickelt, gehört oder gelesen haben:

„Alles worauf ich Lust habe ist nicht erlaubt, unmoralisch oder macht dick.“
Fast niemand mehr bringt es mit der Urheberin in Verbindung. Die ganze Geschichte des Château Grignan und der übrigen Schlösser der Drôme finden Sie HIER.

Grignan: Nahtloser Übergang Schloß, Dorf, Friedhof

 
Eindrucksvoll, aber alles andere als historisch korrekt ist das Schloß im 19. Jahrhundert renoviert worden und inzwischen auch mit einer „Reliquie“ der Madame de Sévigné versehen. Zwei Knöchelchen aus der Hand mit der sie all die Briefe schrieb? Der Schloßführer spricht das Fragezeichen so wenig fragend, daß man seine Geschichte fast glauben muß.

Marie de Rabutin-Chantal, wie die Marquise de Sévigné ursprünglich hieß, schrieb diese Briefe - die den Geist des 17. Jahrhunderts authentisch und geistvoll spiegeln - meist aus Paris, der Normandie oder Burgund an ihre Tochter Françoise-Marguerite.


Gerade 19 Jahre alt geworden, hatte diese den Comte de Grignan geheiratet. Die Mutter kam oft nach Südfrankreich zu Besuch, vor allem nach dem Tode ihres Mannes, der, "glücklicherweise" wie sie sagte, in einem Duell getötet worden war; er hatte sich aber nicht für seine Frau, sondern für eine seiner vielen Geliebten duelliert. So konnte er nicht auch noch den Rest ihres Vermögens durchbringen. Zu ihren Briefpartnern gehörten die Berühmtheiten der Zeit, die ihr Urteil schätzten.

Nur einmal hat sich wirklich getäuscht, als sie dem jungen Racine, der gerade anfing berühmt zu werden keine Zukunft gab: Voltaire erinnert sich an einen Ausspruch der Marquise von Sévigné:
„Racine passera comme le café.“
Racine blieb und die von ihr kritisierte Unsitte des Kaffeetrinkens auch.

In Grignan gibt es noch ein kleines, privates Atelier-Musée du Livre et de la Typographie, eine Werkstatt, in der sich Philippe Devoghel ganz zuhause fühlt. Sein Name klingt seltsam im Midi. Ursprünglich stammt Devoghel aus Dünkirchen, lange hat er in Paris gearbeitet. Ob Schulklassen, Künstler oder Drucker – jedem kann er auf seinen alten Linotype-Maschinen die Feinheiten des Bleisatzes beibringen oder aber auch Gravuren oder Holz- und Linolschnitte. Ein Besuch, der sich lohnt. Sie finden es auf dem Platz Saint Louis, rufen aber wegen der Öffnungszeiten sicherheitshalber an (0033 475 465716).