Samstag, 16. Dezember 2017

Stéphane Hessel: EMPÖRT EUCH !


1948, mit einunddreißig Jahren, hatte er drei Konzentrationslager, eines in Frankreich und zwei in Deutschland, überlebt. Frankreich, dessen Staatsbürger der gebürtige Berliner noch nicht einmal zehn Jahre lang war, schickte ihn als Diplomat zur UNO, wo er mithalf, die Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen zu formulieren; die Artikel konnte Stéphane Hessel noch sechzig Jahre später auswendig hersagen.

Mit über neunzig Jahren wird er unerwartet Bestsellerautor. Im Oktober 2010 verlegte Sylvie Crossmann eine 32seitiges Heftchen mit dem Titel „Empört Euch“ in einer Auflage von mutigen 8.000 Exemplaren in ihren Kleinverlag in Montpellier. Vier Monate später war fast die Million erreicht und die Rechte weltweit verkauft. Stéphane Hessel hatte rund zehn Jahre nach dem Erscheinen seiner weitgehend unbeachtet gebliebenen Memoiren „Tanz mit dem Jahrhundert“ den Nerv der Zeit getroffen.
"Das Grundmotiv der Resistance war die Empörung. Wir Veteranen rufen die jungen Generationen dazu auf, das Erbe der Resistance und ihre Ideale lebendig zu erhalten und weiterzugeben.“ 
Die größte Herausforderung sieht Hessel im immer weiter wachsenden Abstand zwischen arm und reich, global wie auch auf die einzelnen Staaten bezogen.
„Aber wie kann heute das Geld fehlen, da doch die Produktion seit der Befreiung beträchtlich gewachsen ist, während Europa damals in Trümmern lag“,
 
fragt er und liefert die Antwort gleich mit.
„Das ist nur möglich, weil die von der Resistance bekämpfte Macht des Geldes niemals so groß, so anmaßend und egoistisch war wie heute und bis in die höchsten Ränge des Staates hinein über eigene Diener verfügt.“ 
Hier, im Café de Lyon von Sanary, traf sich eine kleine
Trauergemeinde nach der
Beerdigung von Franz Hessel
Hessel weiß, wovon er spricht. Als kurz nach der Entlassung aus dem Lager von Les Milles sein Vater Franz Hessel in Sanary-sur-Mer stirbt, wird Stéphane Mitglied der Resistance. Lissabon, den Weg dorthin kennt er aus der Arbeit mit Varian Fry, und London, wo er de Gaulle kennenlernt, sind seine ersten Stationen. Ab März 1944 besteht seine heikle Aufgabe darin, die Kommunikation zwischen und zu den Widerstandsgruppen neu und sicher zu installieren.

Im Juli wird er in Paris verraten, geht der Gestapo in eine Falle. Er überlebt Buchenwald und Mittelbau-Dora, weil der mit Aufsehertätigkeiten beauftragte Mithäftling Arthur Dietzsch ihm im Oktober vor der Hinrichtung die Identität eines bereits an Typhus gestorbenen Lageerinsassen zukommen läßt, der dann als Stéphane Hessel verbrannt wird. Hessel ist nun Michel Boitel, kann im April 1945 bei der Evakuierung des Lagers fliehen, kämpft noch einige Tage mit amerikanische Truppen und findet sich Ende 1945 als Diplomat in französischen Diensten.

Stéphane Hessel starb 2013 im Alter von 95 Jahren. Das Portrait Stéphane Hessel stammt aus wiki cc.