Samstag, 24. Juni 2017

Rainer Ehrt's "Café des Exilés"

Mit Freude am Detail, manchmal mit Ironie, manchmal freundschaftlich, aber auch mit kritischer Distanz hat der Künstler Rainer Ehrt die bekannten Gesichter der deutschen Exilliteratur gezeichnet: Von Heinrich Mann, über Roth, Brecht und Anna Seghers bis hin zu Toller und Feuchtwanger.


Natürlich denkt man in erster Linie an Wien, wenn der Begriff des „Caféhausliteraten“ fällt. Aber die aus Nazi-Deutschland geflüchteten oder ausgewiesenen Schriftsteller standen den Wiener Autoren wie Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus oder Alfred Polgar um nichts nach. Und Autoren wie Joseph Roth und Franz Werfel waren zunächst in den Wiener Cafés und später dann in Paris zu finden.

Wenn dazu noch wir Anna Seghers „Transit“ und Ludwig Macuses „Mein Zwanzigstes Jahrhundert“ lesen, dann gewinnt man den Eindruck, als hätten alle Exilanten ihre Tage hauptsächlich in den Cafés von Marseille und Sanary-sur-Mer verbracht.

Und da ist tatsächlich was dran. Das Thema war Hermann Kesten sogar ein ganzes Buch wert: „Dichter im Café“. So etwas wie eine zweite Heimat waren die Cafés geworden.

Er habe einen Gutteil seines Lebens in den Cafés verbracht, beichtet Hermann Kesten und tritt auf den 433 Seiten seines Buches „Dichter im Café“ den Beweis an.

Den Exilanten waren die Kaffeehäuser zu ihren Arbeits- oder Wohnzimmern geworden, in denen sie ihre glücklicherweise selbstzahlenden Freunde empfingen, in denen sie schnell ihre Stammplätze oder gar Stammtische hatten und auch bei wenig Verzehr gerne gesehen waren: die Bohème als kostenlose Werbung für die vielen, die gerne dazu gehört hätten und dennoch kamen und nur sehen wollten. Diesen
„Müßiggang der anderen betrog ich mit meiner Arbeit“
formulierte Kesten schadenfroh und machte sich regelmäßig auch über die einzelne Dame lustig, die es in jedem Café gebe und die aussähe,
„als habe nicht ein einzelner Mann sie versetzt, sondern das ganze männliche Geschlecht“.
Die Cafés waren den Exilanten sogar mehr als Haus und Heimatersatz, waren „Kirche und Parlament“, wurden „zur Wiege der Illusionen und zum Friedhof“.


Angefangen hat Rainer Ehrt, Jahrgang 1960, nach seinem Studium an der Hochschule für Kunst und Design Halle/Burg Giebichstein als Plakat-Illustrator und gleich die ersten Auszeichnungen bekommen: 1998 in London für den »Best political Cartoon« bei der New Statesman Cartoon Competition und 2004 »Best of 2003 Illustration« des 3x3 magazine in New York. Viele seiner Arbeiten befinden sich inzwischen im Besitz von Museen, Bibliotheken oder privaten Sammlungen.

Einen Überblick über seine Arbeiten finden Sie HIER, darunter auch die Grafik "Überfahrt", die sich Intellektuellen, Komponisten und darstellenden Künstlern widmet.







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