Samstag, 10. Februar 2018

Lawrence Durrell in Sommières: Viel billigen Rosé für ein Buch

Heute allgegenwärtig
Lange war der britische Romancier Lawrence Durrell in Südfrankreich herumgereist, bis er schließlich Sommières und damit die gesuchte „südfranzösische Authentizität“ fand; eine Kleinstadt, in deren Gassen die Zeit stehengeblieben scheint und wo Touristen zwischen September und Juni noch hinterher gesehen wird.

Wie es sich für jemanden von der Insel gehört, war er natürlich in Nizza und Cannes gewesen, hatte aber „diese kleinen englischen Dörfer“ gleich wieder von der Suchliste gestrichen. In einem Haus am Rande der Stadt, das nach seinem Besitzer Louis Loubier „Villa Louis“ hieß, richtete er sich zunächst ein, bevor er „Villa Tartès“ kaufte.

Diese hochherrschaftliche Villa, die aussieht, als ob ein großbourgeoiser, pedantischer Notar darin wohnt, wurde von Durrell nicht gerade pfleglich behandelt. Der Garten war innerhalb kürzester Zeit verwildert, das Schwimmbad, dessen deutsche Technik bis hin zur Abdeckung noch heute funktioniert, hatte sich zu einer Mischung zwischen Biotop und Müllkippe gewandelt.
Villa Tartès: Nicht zu besichtigen, aber fast unverändert
Ghislaine Bergé, die das Haus nach dem Tod von Durrell kauft, hat erst einmal tagelang große Feuer im Garten gelegt und dann „ein Universum von Flaschen“ aus dem Schwimmbecken, dem nebengelegenen Bassin und dem Brunnen herausgeholt. Durrell habe schon „ordentlich getrunken“, erinnert sich der Schriftsteller Frédéric Jaques Temple, der ja oft genug dabei war, allerdings immer nur den billigsten Rotwein und Rosé, obwohl er sich auch etwas anderes hätte durchaus leisten können.

Hier nun kam ein Weltenbummler zur Ruhe, der im britischen Kolonial-Indien zur Welt gekommen war, auf Korfu und in Ägypten lebte, und schließlich in Belgrad und Buenos Aires für die Pressearbeit der britischen Botschaften zuständig war. In seinem Haus - Henry Miller und Temple waren oft dabei -
„vertrödelten wir die goldenen Nachmittage und Abende wie chinesische Philosophen und führten endlose Debatten über das hypothetische Buch, von dem wir wußten, daß es nie geschrieben werden würde.“

Die Aufenthalte in Sommières waren Durrells fruchtbarste Schaffenszeit. Hier schrieb er seine wichtigsten Werke, die allesamt große wirtschaftliche Erfolge wurden. „Plötzlich hatte ich das seltsame Gefühl zuhause zu sein“, sagte er zu Ivan Gaussen, dessen Sohn Frédéric, Mitglied der Chefredaktion von „Le Monde“, sich später stark in der Association Durrell engagierte und der und
den in Sommières jeder kennt. Drei Anrufe von Gaussen und wir waren erst im Haus von Madame Dumas willkommen, der Villa Louis, von wo aus man einen schönen Blick zum Schloß und, hochwassersicher, über
Frédéric Gaussen im Atelier seiner Mutter Jacqueline
das Tal des Vidourle hat, und wurden dann von Madame Bergé in die Villa Tartès eingeladen.

Und den Nachmittag verbrachten wir im Garten des Dichters Frédéric-Jacques Temple im nahen Aujargues. Dessen erster Gedichtband ist übrigens in Deutschland erschienen, 1945 als Privatdruck in der Druckerei von Franz Burda in Offenburg. Temple war damals als Presseoffizier in Baden-Baden stationiert und ist sich noch heute sicher, daß ohne sein damaliges einflußreiches Amt, er kümmerte sich auch um Papierzuteilungen, dieses Bändchen nie erschienen wäre.

In der Villa Tartès schrieb Durrell zwischen 1974 und 1985 das Avignon-Quintett mit Monsieur, Livia, Constance, Sebastian und Quinx.


„Sommières! Magisches Wort! Ich habe die glücklichsten Tage meines Lebens in dieser geheiligten Stadt verbracht“, war sich Durrell schon 1977 sicher. Allerdings sah er das Glück als einen relativen Zustand: „Das Glück beruht oft nur auf dem Entschluß, glücklich zu sein.“

Nun müsse er auch den Nobelpreis für Literatur erhalten, forderte der Midi Libre in der Sonntagsausgabe vom 20. Juni 1965. Und auch deutsche Befürworter gab es. Walter Jens etwa in einer Rezension von „Mountolive“: „Wenn es gerecht zugeht, muß Lawrence Durrell den Nobelpreis erhalten.“ Dabei erschließt sich Durrell nicht leicht. Das „epische Genie“, so urteilte auch Siegfried Lenz, könne man nur bei nicht nachlassender, konzentrierter Lektüre erfassen. Ich- und Er-Erzählung wechseln einander ab, dazwischen Tagebuchblätter, Reflexionen, Aphorismen und die Aufzeichnungen zweier Schriftsteller - alles wird virtuos und fugenfrei ineinandergefügt.
Durrells Lieblingsplatz beim "Glacier" mit Blick auf die Römerbrücke. 
Ölgemälde von Jacqueline Gaussen-Salmon.
Den Nobelpreis hat er nie bekommen, trotz seines Talentes, das Henry Miller in den dreißiger Jahren als erster erkannte. Hier, beim "Glacier" hat er oft gesessen. Inzwischen hat der Eigentümer gewechselt und "die schönste Terrasse Sommieres" heißt "Ô fil d'eau". Die Erinnerungen an Durrell wurden wegrenoviert. "Alles hat seine Zeit", sagt der neue Patron.
Jacqueline Gaussen-Salmon hat von Durrells Platz aus den Blick auf die alte Römerbrücke gemalt. Noch immer aber, zum Glück, kann man hier auf der Terrasse über dem Wasser sitzen und die Forellen und Hechte in der Vidourle beobachten. Zum Abendessen hinterher geht's in den Garten der "Villa Heloise" am Kreisverkehr auf der anderen Seite des Flußes.

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