Freitag, 17. Januar 2020

Manosque: Giono, der Homer der Provence

Ein Bankangestellter vom Crédit agricole aus dem in der Hochprovence liegenden Manosque, der, abgesehen von seiner Soldatenzeit, achtzehn Jahre zunächst treu und brav hinter dem Schalter und sich so zum
Filialdirektor hochsitzt, kauft sich in preisgünstigen Sonderausgaben die Werke von Vergil, Sophokles, Melville und Kipling, beginnt selbst zu schreiben und wird als Autor innerhalb weniger Jahre zum „Homer der Provence“.



Jean Giono war Fortschritts- und Zivilisationskritiker. Am liebsten hätte er sich wieder in die Welt seines Großvaters geflüchtet und hätte jeden weiteren Fortschritt verboten, den militärischen zu allererst.

Diese Kürzestbiographie wird natürlich Jean Giono nicht einmal ansatzweise gerecht, ebenso wenig, wie, bei aller Liebe, der von übereifrigen Lokalpatrioten gewählte Homer-Vergleich. In einem Filmportrait sagt er:



„Ich habe keine Lust, ein ganzes Leben lang den Giono zu machen“.
Giono lebte völlig zurückgezogen und ist Zeit seines Lebens fast nie aus Manosque und Umgebung herausgekommen; sieht man einmal ab von seinen Einsatzorten im Ersten Weltkrieg, einer Paris- und einer Italienreise. Die Erfahrungen als Frontsoldat prägten ihn und seine spätere radikale pazifistische Grundeinstellung, die ihn Rechten wie Linken verdächtig machte:
"Ich habe keine Seele mehr, ich habe kein Herz mehr, ich habe keinen Himmel mehr, ich habe keine Ideale mehr, ich bin nur noch Knochen, Fleisch und Waffe."
Die deutsche Übersetzung seines Romans „Regain“ durch den Dichter Ferdinand Hardekopf rückte Giono in den dreißiger Jahren fälschlich in die Nähe der deutschsprachigen Blut- und Bodendichter.


Besuchenswert Centre Jean Giono in Manosque

Als Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg geriet er schnell in den Verdacht der Kollaboration mit den Deutschen und wurde mit Schreibverbot belegt - ausgerechnet vom französischen Schriftstellerverband, damals diktiert vom Kommunisten Louis Aragon. Die Regionalzeitung „Le Petit Var“, berichtet im Herbst 1939 über seine Verhaftung aufgrund „zersetzender Äußerungen“:
"Was kann uns schlimmstenfalls passieren, wenn die Deutschen Frankreich erobern? Daß wir zu Deutschen werden? Ich für meinen Teil will lieber ein lebender Deutscher sein als ein toter Franzose."  
Giono wird verhaftet und ins Fort Saint Nicolas in Marseille eingeliefert. Viele seiner Romane über das Leben und Sterben der Menschen in den kleinen Weilern der Haute Provence, die in keinem Führer mehr verzeichnet sind, waren damals bereits veröffentlicht, „Der Hügel“ oder „Der Berg der Stummen“ oder der später verfilmte „Husar auf dem Dach“.

Während des Krieges versteckte Giono später Gefolgsleute der Resistance bei sich, wie den aus dem Lager von Les Milles geflohenen Pianisten Jan Meyerowitz, und Flüchtlinge, wie die erste Frau von Max Ernst, Luise Straus; die hat ihn dann sogar noch dazu gebracht, ihren Liebhaber, einen entflohenen Soldaten, als Gärtner einzustellen. All das isolierte die Familie so sehr, daß nach dem Tode seiner Mutter nur vier Einheimische am Begräbnis teilnehmen.
eingeliefert. 


 

 

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