Freitag, 27. Mai 2022

Verwunschen: Psalmody

Die Hüter von Psalmody
Das ist mal ein verwunschener Ort: Psalmody, in der tiefsten Camargue gelegen. Heute ragt von dem ehemaligen Kloster nur noch eine Mauer empor, die, wie das gesamte Klostergelände zu einem privat geführten Gutshof gehört. Der Weg dorthin ist meist von einem vier Meter hohen Eisentor verschlossen. Man könnte zwar leicht über eine Wiese zu den Überresten des Klosters gelangen, sollte das aber nur tun, wenn man sich wirklich den Umgang mit drei oder vier freilaufenden und etwas lebhaften Schäferhunden zutraut, die gerne schon einmal mit einer Handtasche oder einem Hosenbein spielen. Manchmal setzen die sich einfach so vor die Autotür, daß man schon zweimal überlegt, ob man aussteigen soll. Selbst wer sich mit Erlaubnis des Eigentümers, den Sie gerne auch russisch oder englisch ansprechen können, auf dem Gelände bewegt, sollte dies vorsichtig tun. Denn die alten Mauerreste, die jahrzehntelang von einem multidisziplinären Team amerikanischer Wissenschaftler unter Leitung des Kunsthistorikers Whitney S. Stoddard (gestorben 2003) freigelegt


Klosteranlage etwa 1960 und 2020. Ober rechts: Der Kunsthistoriker W.S. Stoddard
und erforscht wurden, sind inzwischen fest in der Hand von Vipern. Manchmal ist aber auch nur eine Smaragdeidechse, die da unter den nächsten Stein huscht. Eine Länge von über 70 Metern zeugt von der Bedeutung und Finanzkraft des Klosters. Die Ausmaße lassen sich auf der alten Postkarte gut  erkennen.

1966 hatte Stoddard sein Standardwerk zur mittelalterlichen französischen Kunstgeschichte veröffentlicht: Monastery and Cathedral in France. Später kam dann noch das lesenswerte Werk über die Fassade von Saint Gilles dazu: The Facade of Saint-Gilles-du-Gard: Its Influence on French Sculpture. 


Die Fassade von Saint Gilles, teilrestauriert im Juni 2020
Psalmody war einst ein mächtiges Benediktinerkloster, dessen Chronik auf die insgesamt 24 größeren Gebäude verweist, die die Mönche errichtet hatten. Selbst der französische König Ludwig IX., der nach zahlreichen Kriegen den etwas unpassenden Zusatz „der Heilige“ erhielt, mußte sich beim Abt von Psalmody um ein Stück Land bemühen, weil er seinen geplanten Kreuzzug von Königsland aus beginnen und nicht auf das Eigentum von Vasallen angewiesen sein wollte. So verkaufte ihm der Abt das, was wir heute als Aigues-Mortes kennen, samt dem Zugangsweg, der damals noch unter dem Tour de Carbonnière herführte. Der liegt zwar ganz nahe bei Aigues-Mortes, gehört aber zur Gemeinde Saint-Laurent-d'Aigouze.
 


Wunderschöne, aber schattenlose Spaziergänge durch die Camargue
Der Kreuzzug Ludwigs IX. kam überhaupt nur zustande, weil er während einer Malaria-Erkrankung ein entsprechendes Gelöbnis für den Fall seiner Gesundung abgegeben hatte. Die „bewaffnete Pilgerfahrt“, wie auch dieser Kreuzzug beschönigend genannt wurden, scheiterte bereits in Ägypten.
Geschäftstüchtig waren die Mönche nicht nur gegenüber ihrem König, dem sie diese paar Hektar Salzsümpfe und das damals ärmliche Fischerdorf teuer verkauften. Vor allem den Salzhandel hatte das Kloster fest in der Hand, belieferte aber auch Montpellier, Nîmes und Arles mit frischem Fisch aus dem Mittelmeer und den brackigen Kanälen ringsum.


Liliane Fontaine läßt ihre Untersuchungsrichterin im Kriminalroman „Die Tote vom Pont du Gard hier ermitteln. Die ideale Gegend, um eine Leiche verschwinden zu lassen. Zuvor sollte man sich aber ordentlich stärken, im Garten des Restaurants Tour Carbonnière.

           


 

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