Sonntag, 29. Mai 2022

(Wieder mal) Pflichtlektüre für Provence-Krimi-Fans: Cay Rademachers „Geheimnisvolle Garrigue“ und „Die Richterin und der Tanz des Todes“ von Liliane Fontaine

Aufführung "Mireille" in der Arena von Nîmes...

Das sind mal Tatorte! Liliane Fontaine lässt ihre Flamenco-Tänzerin auf der offenen Bühne der Arena von Nîmes sterben und Cay Rademacher die Freundin eines Polizisten am Schiffstunnel von Rove verschwinden. Zwei spannende Geschichten, die für die Ermittler aber jeweils mühsam anlaufen. Einmal zu viele, einmal zu wenige Verdächtige – beides gleich schlecht.

...und ein riskanter Besuch im Tunnel von Rove/ Marignane.

An sich müßte ich mich ja für befangen erklären: Der Dumont Verlag zitiert auf der vierten Umschlagseite aus meiner Rezension über Rademacher „Schweigendes Les Baux“ und Fontaine verweist (Seite 59) auf meinen Blogbeitrag über die Pestmauer von Lagnes http://lustaufprovence.blogspot.com/2021/05/eine-pestmauer-quer-durch-die-provence.html

Darf ich jetzt die beiden Titel nicht mehr empfehlen? Doch – und wie! Eine Autorin und ein Autor, die Südfrankreich inhaliert haben und uns in ihren Büchern in den Midi verführen.

Beste Lektüre für die Einstimmung auf den Midi - gerne auch mit Champagner!

Von daher beginne ich gleich mal mit Rademachers Hinweis am Ende des Buches: Suchen Sie diesen Ort bitte nicht auf. Wahrscheinlich würden Sie nicht gerade ermordet, weil kaum jemand sich noch in den Tunnel hineintraut, aber genug Stellen, an denen Sie sich den Hals brechen können, gibt es trotzdem. Wer es dennoch nicht lassen kann, sollte wenigstens keine Zigarette ins Wasser werden, denn giftige Zersetzungsgase wie Methan sind dort in brennbarer Konzentration vorhanden. Es könnte im wahrsten Sinne des Wortes „die letzte Zigarette“ werden.

Dieser längste Bootstunnel der Erde ist heute noch in Teilen zugänglich, aber der 2 Meter schmale Gehweg ist an vielen Stellen eingebrochen. 1927 mit großem Pomp eröffnet, brauchte der damalige französische Präsident Gaston Doumergue auf einem Schnellboot der Kriegsmarine gerade mal 35 Minuten, bis er die Entfernung zwischen Marseille und dem Etang de Berre zurückgelegt hatte. Die französische Presse vergleicht den Tunnelbau mit dem der Pyramiden in Ägypten. Nur, ganz so lange hat er nicht gehalten, 1963 ist der Tunnel auf eine Strecke von 200 Metern eingestürzt.

Rademacher schrieb das Manuskript - für mich etwas zu sehr - unter dem Eindruck der Covid-bedingten französischen Ausgangsverbote. Ärzte, die mit Tauchermasken von Decathlon durch die Krankenhäuser eilen und Desinfektionsmittel, die von der Polizei bewacht werden mußten und die man deshalb im Polizeirevier aufbewahrte. Inzwischen hat Macron Covid in Frankreich ja kurz vor seiner Wiederwahl „abgeschafft“ und damit sicher wesentlich zu seinem Erfolg beigetragen.

Junge Frauen verschwinden, nur ein linker Schuh wird gefunden. Genau wie vor 23 Jahren. Und damals hat man den Täter nicht gefasst. Sind Sie allerdings klaustrophobisch veranlagt oder haben gar eine Tunnelphobie, dann lesen Sie den neuen Südfrankreich-Kriminalroman von Cay Rademacher besser nicht. Für alle anderen: Kaufen, im Midi versinken und sich etwas gruseln. Denn der rund 7 Kilometer lange Tunnel du Rove spielt eine entscheidende Rolle in diesem Buch. Was zu Beginn der Bauarbeiten im März 1911 niemand wissen konnte: Der Tunnel entwickelte sich schnell zu einem ebenso teuren wie überflüssigen Projekt. Fünfzehn Jahre später waren 2,3 Millionen Kubikmeter Felsen von 1.300 Tonnen Dynamit zertrümmert und durch 470.000 Kubikmeter Beton ersetzt worden. 

Liliane Fontaine und Cay Rademacher

Könnten nicht die Richterin Mathilde de Boncourt und der Kommissar Roger Blanc einmal gemeinsam ermitteln und sich so näherkommen? Das wird aber wohl nicht gehen, denn er hat ja seine schöne Nachbarin Paulette und sie ihren Commandanten Rachid Bourraada. 

Außerdem hat Mathilde de Boncourt im Flamenco-Milieu und dem der Gitanes, Tziganes und Manouches, wie die Zigeuner sich im Midi nennen oder genannt werden, genug zu tun. Ist die junge Flamenco-Tänzerin wirklich u so unschuldig wie sie gerne tut und wie sie (fast) alle Kollegen sehen? Nur der schwule Tänzer sicher nicht, den sie um sein Erbe bringt. Machen sie ein paar Nächte mit dem alten Choreografen und die anschließende Hauptrolle in der großen Bühnenshow schon verdächtig? Auch neue Ermittlungsmethoden, wie eine stimmliche Gegenüberstellung führen nicht weiter.

De Boncourt und Bourraada sind so sehr in ihre Ermittlungen eingetaucht, daß sie dabei am liebsten auch noch die Frage geklärt hätten, wer denn nun van Gogh das Ohr abgeschnitten hat und ob sein Selbstmord vielleicht doch ein Mord war. Aber das machen die Beiden dann vielleicht im nächsten Band der Serie „Die Richterin“.

Mehr über das Amphitheater von Nîmes unter https://www.geo.fr/histoire/les-arenes-de-nimes-ou-le-renouveau-dun-amphitheatre-romain-vieux-de-2000-ans-209141 .

Und wenn die Autoren mal wieder ungewöhnliche Locations für die nächsten Romane brauchen, empfehle ich einen Blick auf die Homepage von Vincent Duseigne, http://tchorski.morkitu.org/14/tunnel-rove.htm auf der sich auch zahlreiche beeindruckende Bilder des Tunnels von Rove befinden. Weitere Informationen auch hier: https://www.chasse-maree.com/le-tunnel-du-rove-oublie-de-lhistoire/

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