Wenn wir mal Mao- und sonstige Bibeln aller Couleur vergessen, gehört „Der kleine Prinz“ von Saint-Exupéry zu den weltweit drei meistverkauften Büchern und das mit einer Auflage von irgendwo zwischen 150 und 200 Millionen Exemplaren. Hinzu kommen weitere Romane und Geschichten aus dem Fliegermilieu, die Jörg Trauboth am Ende seiner Buches „Bonjour Saint-Ex“ kurz vorstellt.
Nicht ganz leicht war es für Saint-Exupéry gewesen, überhaupt zu den Fliegern zu gelangen, nicht nur, weil seine Eltern und seine künftige Frau wenig von dieser gefährlichen Angelegenheit hielten. Auch sein Kommandant beim Straßburger Fliegergeschwader war wenig begeistert. Wenn es denn unbedingt sein müsse, könne der Soldat zweiter Klasse ja private Flugstunden nehmen – auf eigene Kosten, versteht sich –, und wenn es mit der Lizenz klappe, auch am militärischen Flugtraining teilnehmen. Einen Fluglehrer fand Saint-Exupéry dann ausgerechnet in Robert Aéby, einem ausgemusterten Piloten der deutschen Luftwaffe.
Ob der adelige Saint-Ex nun ein flugvernarrter Literat oder ein literaturvernarrter Flieger war, wird immer wieder diskutiert und auf dem Cover eines Buches von François Suchel gut wiedergegeben. Wir indes können das Saint-Ex heute nicht mehr fragen. Das hätte aber Fabian Braun, der Protagonist der Novelle „Bonjour Saint-Ex!“, durchaus tun können.
Denn als er die letzte Flugroute des Comte Antoine Marie Jean-Baptiste Roger de Saint-Exupéry nachfliegt - was Trauboth tatsächlich getan hat-, begegnet er seinem Idol in der Luft. Die beiden tauschen sich aus, philosophieren miteinander und finden sich sympathisch. Und das, obwohl der Vater von Trauboths ‚Alter ego‘ Fabian Saint-Ex bei dessen letztem Flug abgeschossen haben will; oder vielleicht sogar hat.
Auch andere deutschen Jagdflieger brüsteten sich mit dem Abschuss. Etwa hat Horst Rippert, ZDF-Sportreporter und Bruder des Sängers Ivan Rebroff, das behauptet und hinterher bedauert. Aber dafür fehlen die Beweise, weil sämtliche Unterlagen beim Rückzug der Deutschen aus dem Mittelmeerraum verloren gingen. Fabian Braun ist eine erfundene Figur, aber, so Trauboth: „In dem Dialog mit seinem Vater habe ich auch mein Vaterverhältnis aufgearbeitet. Wie ich auch Exupérys letzten Flug tatsächlich im letzten Jahr nachgeflogen bin.“
Da ist so vieles nicht geklärt und bis heute werden zahlreiche Vermutungen angestellt. Wollte sich Saint-Ex abschießen lassen? Hat er mal wieder einen seiner Pilotenfehler begangen, die ihn schon vorher des Öfteren haben abstürzen lassen? Stimmen die Auslegungen seiner letzten Briefe, in denen viel Todessehnsucht hineininterpretiert worden ist; war es also Selbstmord?
Einem Freund hatte er in der Nacht davor geschrieben: „Falls ich abgeschossen werden sollte, verschwinde ich, ohne das zu bedauern.“ Sogar der Bild-Zeitung war Saint-Exupéry einen Beitrag wert: „Zerbrach er am wilden Leben?“, fragt das Blatt und zählt die Selbstmord-Indizien auf: „Schwerer Alkoholiker“ und „der Literat litt unter seiner Impotenz“.
Trauboth verlässt sich auf seine jahrzehntelangen Recherchen und spekuliert entsprechend wenig. Etwa finden sich viele wörtliche Zitate aus den Briefen, die Saint-Exupéry während der Flüge an seine Mutter geschrieben hat. Besonders überzeugend gelingen die Passagen des Buches, in denen um das Fliegerische geht. Kein Wunder, denn, so Trauboth: „In diesem Projekt fühlte ich mich von Anfang an zu Hause, weil ich glaube als Pilot mit über 5000 Stunden Flugerfahrung und als Schriftsteller gute Voraussetzungen für diese Novelle zu haben.“
„Geradeaus kann man nicht sehr weit kommen“ heißt es im „kleinen Prinzen“. Andererseits in der Luft schon. Trauboth hat ein anregendes Gedankenspiel geschrieben, das mit Fakten und Fiktion jongliert, eines, das viele Fragen beantwortet und zum Glück manche offenlässt.
Jörg H. Trauboth: Bonjour, Saint-Ex! Ratio-Verlag, Lohmar, 2022, 17 Euro
Wer kennt sein Buch besser als der Autor selbst? Deshalb hier noch der Hinweis auf empfehlenswerte knappe 2 Minuten, die Trauboth auf Youtube eingestellt hat .
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