Samstag, 9. November 2019

Aix-en-Provence: Verführung und Verbrechen in alten Stadtpalästen

Immer beeindruckend - von Westen wie von Osten: Montagne Sainte Victoire.              Bilder Dominik Fehringer
Wer Aix besuchen will, hat es sehr einfach: Er fährt einfach auf Cézannes Bergkette, die Montagne de Sainte Victoire, zu und parkt sein Auto in der Nähe des Cours Mirabeau. Südlich dieser Allee
kommen Sie an einer ganzen Reihe alter Stadtpaläste und Brunnen vorbei. Gleich neben dem Museum etwa am Hôtel de Villeneuve d‘Ansouis und dem Hôtel de Boisgelin, nach ein paar Schritten an der Fontaine des Quatre Dauphins des Bildhauers Jean-Claude Rambot. Tagelang könnte könnte man den Erinnerungen dieser Stadtpaläste zuhören und sich mit den Schicksalen ihrer Bewohner beschäftigen.
Cours Mirabeau      Bild Georges Seguin cc
Im Hôtel des Princes am Cours Mirabeau beispielsweise
„wohnten nacheinander der Sultan von Maissour, Tippou Sahib geheißen, darauf Bonaparte nach seiner Rückkehr von Ägypten; im Abstand von zwanzig Jahren folgte Papst Pius VII. und endlich 1840 die Ex-Königin Christina von Spanien, nach welcher der Infant Don Charlos kommen sollte“.
Weiter unten, im Hôtel der Familie Cariollis wurde Madelaine, die Tochter des Gerichtspräsidenten geboren, die in jungen Jahren zur Witwe geworden war und die den Schriftsteller François de Malherbe heiratet. Dem Herzog Henri von Angoulême, der Gouverneur der Provence geworden war, folgte der Jurist Malherbe nach Aix. Erst spät, nach Angoulêmes Tod, wurde Malherbe geadelt und fand einen Mäzen in Heinrich IV. und dessen zweiter Frau, Maria de Medici.

Im Hôtel de Perrin wohnte der Verleger der Briefe der Madame de Sévigné und gleich nebenan der Fastenprediger Honoré Gaillard, von dem beeindruckt, die Marquise immer wieder in ihren Briefen berichtet.

In der parallel zum Cours Mirabeau laufenden Rue de Mazarine lebte Emilie de Covet-Marignane, eine reiche Erbin, auf die der Graf Mirabeau aus genau diesem Grund eine Auge geworfen hatte. Daß Emilie verlobt war, hinderte ihn nicht, sich um die Dame zu bemühen. Schon damals war allerdings sein Ruf so ruiniert, daß er nicht einmal zum Vater vorgelassen wurde.


Er fing dann eine Affaire mit einem der Dienstmädchen des Hauses an, kam so an die Schlüssel und stand eines schönen Morgens in Socken und Nachthemd auf dem Balkon des Schlafzimmers der jungen Dame – mal heißt es auch, er habe seinen Auftritt in Unterhosen und mit offenem Hemdkragen zelebriert. Das ist nun letztlich wirklich nicht
Stadtpaläste in Aix                                   Bilder Office de Tourisme
entscheidend; so oder so kam es zu einem Menschenauflauf, erst recht, als Mirabeau in allen Einzelheiten davon zu erzählen begann, wie ihn die vergangene Nacht mit Emilie beglückt habe. Daß die nicht einmal im Haus gewesen war, tat nichts zur Sache. Die Verlobung wurde gelöst und, eine Frage der Ehre, der Graf zum neuen Hochzeiter. Der Schwiegervater aber hielt die Finanzen beisammen, es gab kein Geld für das Paar und als die Schulden hoch genug waren, ließ Covet den Grafen ins Château d’If, die Gefängnisinsel vor Marseille, werfen.

Später dann in Aix in einem aufsehenerregenden Prozeß, der den zahlreichen Zuschauern aller Stände die ganze rhetorische Kraft Mirabeaus vorführte, die Scheidung. Alfred Schirokauer hat das in einem biographischen Roman nachempfunden.



Les deux Garcons                                                                      Bild Wiki cc
Beschließen können Sie den Rundgang in der Mejanes-Bibliothek oder im Spiegelkabinett des Café Les Deux Garcons, das ganz einfach davon lebt, daß jeder Besucher nicht nur glaubt, einmal dort gewesen sein zu müssen, sondern tatsächlich hingeht. Die steif gestärkten, blütenweißen Schürzen und Hemden der Ober bezahlen Sie natürlich ebenso mit wie deren schwarze Westen und korrekt gebundene Fliegen. 

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