Dienstag, 6. September 2016

Künstler in Uzès: Iva Tésorio und Jürg Treichler

Der Baum von Tésorio und die Granatäpfel von Treichler
Sie malen schon sehr unterschiedlich, die beiden: Iva Tésorio und Jürg Treichler, die Slowakin und der Schweizer. Und trotzdem oder gerade deshalb gefallen mir die Bilder von beiden sehr gut. Iva Tésorio, die noch nie eine Ansicht der Stadt gemalt hat, wohnt und arbeitet das ganze Jahr über in Uzès, im Chemin de l’ancienne gare, direkt gegenüber dem alten Bahnhof. Besucher haben beim erstenmal oft Schwierigkeiten Ihr Atelier zu finden. Deshalb auch die Telefonnummer auf Ihrer HOMEPAGE.

Jürg Treichler lebt in Zürich, ist viel auf Reisen und seit über vierzig Jahren regelmäßiger Gast im Haus seines Bruders in Saint-Quentin-la-Poterie und entsprechend auch immer wieder in Uzès unterwegs. Offensichtlich haben wir dort die gleichen Vorlieben für

Café de l'Hotel: Einen Picpoul de Pinet bringt die immer elegante Wirtin
zu den Austern vom Marktstand gleich nebenan

bestimmte Bars; mit dem Unterschied, daß er sie malt und ich meinen Beitrag leiste, daß der viele Rosé, der im Languedoc angebaut wird, auch getrunken wird. Alle Kontaktdaten und viele weitere Bilder finden Sie HIER.

Die Bars von Uzes


Treichler hält es mit den Impressionisten, besonders mit Monet, dem in Lausanne geborenen Félix Vallotton und natürlich Henri Matisse, der das so ausdrückte:
„Ich träume von einer Kunst des Gleichgewichts, der Reinheit, der Ruhe, ohne beunruhigende und sich aufdrängende Gegensätze, von einer Kunst, die für uns ein Beruhigungsmittel ist, eine Erholung für das Gehirn, so etwas wie ein guter Lehnstuhl, in dem man sich von psychischen Anstrengungen erholen kann.“ 

Bewundern konnte man Treichlers Bilder 2011 in Galerie des Capucins in Uzès und zuletzt in diesem Jahr in der Kronen-Galerie in Zürich. Der „Tages-Anzeiger“ schrieb: 
„Sein Anliegen, alles einfach Schöne und Heile zur Kenntnis zu nehmen, es aufzuwerten und einer weiteren Zerstörung und Dezimierung entgegenzuwirken, trägt Treichler freilich nicht mit Empörung und Schroffheit vor, sondern mit Weichheit, einladender Bildräumlichkeit, lichterfüllten Flächen und malerischer Harmonie.“
Iva Tésorio hat nach ihrem mit Promotion abgeschlossenen Studium der Kunstpädagogik das Licht des Südens gesucht, viel an Schulen gearbeitet, drei Kinder bekommen, aber trotzdem ihre Kunst immer in
den Mittelpunkt gestellt. In der Renaissance, sagt sie, hätte sie am liebsten gearbeitet und Anklänge finden sich immer wieder in ihren Werken. In vielen Schichten malt sie Wachs und Öl übereinander, zieht mit dem Spachtel ab und übermalt neu, was eine ganz plastische Malerei entstehen läßt. Ihre Leinwände gewinnen die Tiefe des Raumes. Fast immer gibt es nur einen Bildmittelpunkt; das kann ein Baum sein, ein Fisch oder ein Kind, die dadurch eine abstrakte und unwirkliche Wirkung bekommen.

Mehr Kunst in Uzès finden Sie HIER, zum Beispiel von John Townsend und Viva Brébis.




Sonntag, 28. August 2016

Provence: Jean Giono zeigt uns die schönen Umwege


Lieber Feldwege alsTGV (wie hier) oder Autoroute
Ein hohes Verkehrsaufkommen auf der Autobahn können Sie aber auch als Chance für eine entspannte Fahrt über die Nebenstraßen aufgreifen. Jean Giono der Provenzale, der kaum einmal aus seiner Hochprovence heraus gekommen war, dafür dort aber jeden Olivenbaum und fast jeden
Stein kannte, der in all seinen Büchern für den
Frieden, die Natur und die Erdverbundenheit des Lebens in der „unfortschrittlichen“ Provence gekämpft hat, er macht uns den Umweg vor:
„Eingeschläfert von dieser Autobahn wie ein von Kreidestrichen hynotisiertes Huhn habe ich mir schließlich einen gleichwohl menschlichen Ruck gegeben und mich an einer beliebigen Abzweigung davongemacht.“


Hier erwartet uns Jean Giono...
Die genaue Lage der Straßen und Feldwege will er uns nicht verraten, braucht er aber auch gar nicht. Wir finden dies alles ebenso, wenn wir einfach in südöstlicher Richtung irgendwie in die Provence hineinfahren. Und dann durchkreuzen wir wie Giono „Felsen, Pinien, Steineichen, Ginsterkraut, Ruinen, Schlösser, Lavendelfelder, Olivenhaine, Mandelbäume, Einöden, wilde Steppen, atemberaubende Ausblicke“. Und ganz zum Schluß seines „Briefes über die provenzalischen Landschaften“ verspricht er uns: „Und an dem Punkt, da warte ich auf Sie.“

Einer hätte sich dort besonders gerne mit Jean Giono getroffen: der deutsche Romantiker Hugo von Hofmannsthal. Sicher, er machte seine Reise durch den Süden Frankreichs zu einem Zeitpunkt, kurz bevor Giono zur Welt kam. Aber die Art des Reisens und des Sehens war der von Giono sehr vertraut und man kann sogar sagen, daß sich Giono bei seinen späteren Schilderungen an die „Vorgaben“ Hofmannsthal gehalten hat. Kein „hastiges und ruheloses Reisen“. Und Landschaftsbeschreibungen sollten sein wie der „seltsame, sinnlose Reiz der Träume. Unserem Reisen fehlt das Malerische und das Theatralische, das Lächerliche und das Sentimentale“.
Auf der Hochebene von Valensole.                       Bild von Steffen Lipp
Die Hektik seiner Reise des Jahres 1892 nahm Hofmannsthal so sehr den Atem, daß er sich Postkutsche und Sänfte zurück wünschte,
„man hatte Zeit, um in Herbergen Abenteuer zu erleben und wehmütig zu werden, wenn ein toter Esel am Wege lag. Man konnte im Vorbeifahren Früchte von den Bäumen pflücken und bei offenen Fenstern in die Kammern schauen. Man hörte die Lieder, die das Volk im Sommer singt, man hörte die Brunnen rauschen und die Glocken klingen.“




Centre Jean Giono in Manosque: Hier finden Sie alles über Giono .

Samstag, 27. August 2016

Uzès: Die Bilder von Viva Blévis und John Townsend

Wenn Sie kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, sagen wir 1950, in Kairo von der Saiyidna-el-Husain-Moschee in den Basar Khan-El-Khalili gegangen wären und sich im größten Souk Nordafrikas verloren hätten, dann hätten Sie einem zierlichen kleinen Mädchen begegnen und so Viva Blévis nach dem Weg fragen können.
(Lieblings)Bild ohne Titel
Die Künstlerin, die heute in Uzès lebt, arbeitet und ausstellt, wurde 1942 in Kairo geboren. Vielleicht wären Sie aber auch Nagib Mahfus über den Weg gelaufen, einem jungen Mann, der damals keinen Gedanken daran verschwendete, einmal Literatur-Nobelpreisträger zu werden. Alles wichtige über ihn wie immer bei Perlentaucher

Dieser Bazar war ursprünglich ein Karawanenhof vom Ende des vierzehnten Jahrhundert, benannt nach dem Emir Dschaharek el-Khalili, seinem Erbauer.

Während Viva nach Paris ging und an der Sorbonne studierte, blieb Mahfus seinem Viertel bis zu seinem Tod im Jahr 2006 (auch literarisch) treu.

Erst in den 1980er Jahren hat Viva Blévis mit der Malerei angefangen und schon schnell in Paris ihre ständigen Ausstellungen gehabt, so etwa zehn Jahre lang im Comptoir du Désert im elften Arrondissement (Popincourt).
Mit dem Jahrtausendwechsel zog es sie nach Uzès im Departement Gard.

Kleines Format (25x15) "Unter den Wolken" von Blévis

Der Ölmalerei ist sie auch hier treu geblieben…und eine zierliche Dame ist sie immer noch, nur etwas älter. Viele, die ihr 
Viva Blévis, wie sie mein
Lieblingsbild malt
Sommeratelier im touristenüberströmten Uzès besuchen, bemerkt sie gar nicht; so konzentriert ist sie bei der Arbeit. Mit wenigen Farben, die sie braucht. Und die sie mit Pinsel, Spachtel, Schwämmen und Lappen bearbeitet, mal auf Holz, meist aber auf Leinwand oder Ölkarton. Oft werden sie zuletzt mit terpentinfreiem Antikwachs überzogen und ganz oder teilweise glänzend gerieben. Abstrakte, nuancenreiche Gemälde entstehen so, die den Betrachter zum Dialog auffordern.

„Mit den Bildern spreche ich ein wenig über mich und meinen Platz in der Welt und natürlich soll der Betrachter auch seine Perspektive einbringen.“
Deshalb ist Viva Bévis auch davon abgekommen ihre Bilder, wie noch vor einigen Jahren, zu betiteln. Meinem Eindruck, daß ihre Palette
Doch eine leichte Gegenständlichkeit
in jüngster Zeit minimal farbiger geworden sei , wider-spricht sie, und auch, daß sie etwas gegenständlicher malt.

„Ich male nicht dekorativ oder ‚hübsch‘. Eher abstrakt und mit feinen Übergängen im Hell-Dunkel-Bereich. Aber wenn ich mit einem Bild anfange, weiß ich oft noch nicht, wohin es mich führen wird und wie später das Resultat aussieht.“
Sie freut sich über einen Kontakt per Homepage oder Mail. Oder ganz direkt in der Rue Masbourguet Nummer 18. Und das Gespräch mit ihr lohnt, wenn sie erst einmal von ihrer Arbeit aufblickt.

So ziemlich das Gegenteil der introvertierten Viva Blévis ist der Engländer John Townsend, der ebenfalls gerade in Uzès (Galerie des Capuzines, gleich neben der Tourist-Info) seine Seestücke ausstellt. Er könnte auch als erfolgreicher Kontakter in einer Werbeagentur arbeiten. Allerdings gibt auch er seinen Bildern keine Titel mehr:

"Das schränkt potentielle Käufer zu sehr in ihrer Phantasie ein. Wenn jemand in einem Bild von Cape Cod oder vom Genfer See lieber die schottische Küste oder die Camargue sieht, dann soll er das tun dürfen. Das ist wie beim Wein. Den soll man nicht totinterpretieren, sondern er soll schmecken."

Ausbruch des Feuers von Blévis und das rote Segel von Townsend
In Goudargues, Aix-en-Provence, Nîmes oder Lussan hingen seine Arbeiten zuletzt. Wenn Sie im Web suchen geben Sie ‚artist‘ und ‚france‘ und keinesfalls ‚nottingham‘ zum Namen dazu, sonst landen Sie bei einem britischen Kinderbuchautor oder Physiker oder bei einem amerikanischen Naturforscher oder Politiker, die übrigens alle längst gestorben sind. Townsend gilt als Maler der übergangslosen Horizonte, wo Wellen und Wolken sich begegnen und man nicht weiß, wo das eine anfängt und das andere aufhört.

Da hat er viel gemeinsam mit Viva Blévis, obwohl es eben bei ihm Wasser und Himmel sind und nicht einfach abstrakte Verwischungen.

„Ich male keine Landscapes sondern Sandscapes,“
Townsend: Maler und Komponist
sagt Townsend und tatsächlich sind viele seiner Untergründe aus Sand, gemischt mit Pigmenten, etwa dem Mineralpigment Ultramarin und den lokalen Ockerfarben. Wenn Townsend nicht malt, komponiert der Manfred Mann-Fan. Schon Ende der 1960er Jahre hat es ihn nach Südfrankreich gezogen, nach Cavillargues und er ärgert sich, daß der englische Akzent immer noch zu hören sei. Cavillargues ein 800-Seelen Dorf, in das Sie auf halbem Weg zwischen Uzès und Bagnols abbiegen müssen. Townsend erreichen Sie über 0033 613 24 00 50 oder seine Homepage.

Sollte er nicht zuhause sein, hätte sich die Fahrt doch gelohnt, wenn Sie im „Chez Ma Mère“  (Route de la Cave) zu Mittag essen. Weitere Arbeiten können Sie dann bei einem Apéro unter ArtWeb ansehen.

Mehr Kunst aus Uzes finden Sie HIER. Zum Beispiel die von Iva Tesorio und Jörg Teichler.

Und natürlich über Oliver Bevan HIER.


 

Freitag, 26. August 2016

Ribaute-les-Tavernes: Jacqueline Pagnol ist in Paris geboren

Sie war die erste „Manon des Sources“, für sie hatte Marcel Pagnol das Stück geschrieben: Jacqueline Bouvier, die im August 2016 in Paris gestorben ist. Dort ist sie im Oktober 1920 auch zur Welt gekommen, obwohl die meisten Biographen (auch in Wikipedia) immer noch Ribaute-les-Tavernes im Departement Gard als Geburtsort bezeichnen. Sie selbst


hat das schon 1955 in einem Interview mit dem „Midi Libre“, der dortigen regionalen Tageszeitung, klargestellt:

„Ich bin in Paris geboren, wo mein Vater, der aus Tavernes stammte, bei der Post arbeitete. Viele schöne Sommer habe ich in Tavernes verbracht. Vom Herzen her bin ich eine Tavernoise.“
Seit 1945 war sie mit Pagnol verheiratet und kam immer wieder in den Gard zurück, zuletzt bei der Einweihung der Dorfschule, die, wie damals 400 andere Schulen in Frankreich auch, den Namen ihres Mannes trägt.

Als „Manons Rache“ lief der Film in Deutschland und ist dort vor allem in der neueren Fassung von 1986 mit Emmanuelle Béart als Manon Cadoret und Yves Montand in der Rolle César Soubeyran, genannt Papet, bekannt geworden.

Marcel Pagnol hatte die Dorfgeschichte um zugeschüttete Quellen, verfeindete Familien und das unterschiedliche Leben von Stadtmenschen und Landbevölkerung, an sich unüblicherweise, erst auf Basis des Drehbuchs zum lesenswerten Roman umgeschrieben: „Die Wasser der Hügel“ umfaßt die Geschichten von Jean de Florette und Manon des Sources.

Die ganze Geschichte habe sich tatsächlich so oder ähnlich getragen und sei ihm von einem alten Mann aus der Nähe von Aubagne erzählt
Einer dieser Herren, entweder aus Crespin oder aus Bastides Blanches, muß Pagnol die ganze Geschichte erzählt haben
worden, so Pagnol. Was, wie so vieles bei ihm, möglich ist oder auch nicht.

 

Samstag, 20. August 2016

Vienne: Hier ist alles schon geschehen


Nichts Neues in Vienne

Wenn Sie nur Ihre Ruhe brauchen, wollen, daß sich gar nichts tut, bleiben Sie in Vienne und überprüfen die Einschätzung von Joseph Roth, der sich als Feuilletonkorrespondent der Frankfurter Zeitung dort schon 1925 langweilte: „Aus dieser Stadt gibt es nichts zu berichten. In dieser Stadt geschieht nichts mehr. Es ist alles schon geschehen.“ Eine Generation später der gleiche Eindruck bei Wolfgang Koeppen, der nach dem Krieg mit seiner „Trilogie des Scheitern“ als fast Fünfzigjähriger schnell einen Namen erschrieb und es dann, abgesehen von feuilletonistischen Reisebeschreibungen, auch dabei beließ. „Wofür aber, wenn nicht für Essen, konnte man in Vienne schon Geld ausgeben?“

Folgen Sie zum Mittagessen den Bauarbeitern

Koeppen war zur Mittagszeit den Bauarbeitern gefolgt, die ihn nahe dem römischen Theater in eine kleine Wirtschaft führten; mit sechshundert Francs, damals rund sechs Mark, war das Mittagsmenue ausgezeichnet. „Und ich bekam wie sie, von einem freundlichen derben Mädchen aufgetragen, das Menue: eine Leberpastete, mit Käse überbackenen Tomatenreis, gekochtes Ochsenfleisch, eine Schüssel voll grünem Salat, ein großes Stück Käse, Kirschen nach Verlangen und dazu einen halben Liter algerischen Rotwein.“ Zumindest die Jazz- und Opernfreunde wissen, daß man heute in Vienne auch Geld für andere Dinge ausgeben kann. Sehr britisch ausgerichtet der Vergleich von Lawrence Durrell, für den Vienne das Bournemouth der Antike ist. „Pensionierte Diplomaten ließen sich dort nieder. Der berühmteste unter ihnen war Pontius Pilatus, der hier einen ruhigen Lebensabend verbrachte, nachdem er den Nahen Osten mit seinen lästigen und ärgerlichen Problemen und seinen törichten Agitatoren verlassen hatte. Wir gedachten seiner bei einem Glas rosigen Weins.“


Samstag, 6. August 2016

Van Gogh Bild als Geschenk abgelehnt

Van Gogh in Arles heute überall präsent; hier in der neuen Fondation...


Mehr als zweihundert Bilder und Zeichnungen hat van Gogh während seiner Zeit in Arles und Saint-Rémy-de-Provence angefertigt. Keines befindet sich mehr in Arles. Vincent hat zu Lebzeiten außer dem „Roten Weinberg“ nicht ein einziges Bild verkauft. Selbst diejenigen, die er portraitiert hatte, wollten die Bilder meist nicht einmal geschenkt haben.

...und hier an einer Hauswand Nähe Amphitheater...

Mit viel Überredungskunst war es Vincent gelungen, dem Arzt Felix Rey, der ihn in der Heilanstalt von Saint Rémy behandelte, ein Bild zu schenken. Lange hatte sich der Doktor gesträubt, hatte es absichtlich in der Anstalt vergessen; Vincent mußte regelrecht aufdringlich werden, bis Rey das Bild mit nachhause nahm.
...und hier in der alten Fondation.
Anfang des letzten Jahrhunderts wurde es wiedergefunden, als van Goghs Werke wertvoller wurden und Kunsthändler seine noch lebenden Kontaktpersonen in Arles und Saint Rémy aufsuchten, um ihnen die Bilder für wenig bis gar kein Geld abzuschwatzen. Die Tochter des Arztes verschenkte dieses Bild. Ihr Vater hatte es lediglich dazu benutzt, die Rückseite seines Kaninchenstalles notdürftig zu reparieren.

Jack Kerouac hatte Ende der fünfziger Jahre mehr Verständnis für van Gogh. Als er mit dem Bus von Aix über Arles nach Avignon fuhr, die Franzosen nahmen damals Tramper nicht besonders gerne mit, sah der
kanadische Autor

„die ruhelosen Bäume van Goghs im starken Mistral, die heftig schwankenden Zypressenreihen, gelbe Tulpen in Fensterkästen und die goldene Sonne. - Ich sah, verstand van Gogh.“
Zwischen Arles und Aix.                                             Bild Pixabay cc
 

Samstag, 9. Juli 2016

Tarascon und Beaucaire: Ungleiche Geschwister

Die Frage, ob jemand aus Tarascon der typische Vertreter des verschmitzten, aufschneiderischen, gestenreichen Südfranzosen ist, hat Alphonse Daudet diplomatisch unbeantwortet gelassen:
"In Frankreich stammt jeder irgendwie aus Tarascon."
In seinem Buch über den Tartarin hat er das ganz anders dargestellt.


Beaucaire: Jahrhundertelang einer der wichtigsten  Handelsplätze. Hunderte von
Messeständen wurden unterhalb des Chateau errichtet.             Bild Wiki cc


Umfassende Darstellung von Maurice Contestin
Auch heute noch übrigens. Denn fast scheint es eine Eigenart zu sein, daß man in Tarascon nicht weiß, wo Beaucaire liegt - auf der genau gegenüberliegenden Seite der Rhone nämlich. Unterstützt wird das durch den Stadtplan des Office de Tourisme, auf dem die westliche Welt in der Mitte des Flusses aufhört. Vielleicht ist dies eine späte Rache der ehemals armen Verwandschaft. Schließlich war die Messestadt Beaucaire über Jahrhunderte eine sehr reiche Stadt und in Tarascon wohnte nur der, der sich Beaucaire nicht leisten konnte.

Alexandre Dumas verglich Beaucaire mit „den südamerikanischen Riesenschlangen, die alles an einem Tag essen und dann sechs Monate verdauen“. Die Stadt lebe „das ganze Jahr von seiner Messe, deren Ruf über ganz Europa verbreitet ist“. Als Moritz Hartmann um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Messe besuchte, fiel ihm ein vierzehnjähriges Mädchen aus Hessen auf, das „in seinem kurzen Röckchen, mit dem schwarzen Samtkäppchen an einen Baum gelehnt, deutsche Volkslieder, das halbe ‚Wunderhorn’ herabsingt.“

Die Messe fand er als „Leipzig des Südens“ selbst zu dieser Zeit noch beeindruckend.

„Die Basars und Zelte sind Schatzkammern der kostbarsten Gold- und Silbergeräte und der edelsten Stoffe aus Orient und Okzident.“
Allerdings war dies alles nur noch ein Schatten, ja nachgerade nichts gegenüber dem mittelalterlichen Markt. Zu jener Zeit steuerten große genuesische und venezianische Schiffe die Rhone stromauf, „und brachten ihre morgenländischen Schätze mit, um sie an die reichen Seigneurs des südlichen Frankreich oder an die Kaufherren des goldenen Burgund zu verkaufen oder sie gegen die Erzeugnisse der klugen Flammänder von Brügge und Gent auszutauschen, die ihnen hierher entgegenkamen. Mailand schickte seine Juweliere und Goldschmiede, Toledo seine Schwertschmiede.“
Selbst die als Korsaren gefürchteten Schiffer aus Tripolis segelten nach Beaucaire unter friedlicher Flagge.

Donnerstag, 23. Juni 2016

Nebenstraße mit Weinprobe(n)


Für diesen Blick müssen Sie schon etwas weiter von der Rhône wegfahren.           Bild von Steffen Lipp
Selbst ohne Karte kann man sich auf den kleinen Straßen nicht verfahren. Rhone und Sonne weisen die Richtung. Und es gibt nun wirklich Schlimmeres, als ein kleines Hotel zu finden oder ein Gastzimmer, ein Chambre d‘hôte, wo Sie abends dann gemeinsam mit Ihren Gastgebern essen, sich mit dem Rhone-Buch von Pierre Imhasly auf die morgige Reise am Fluß entlang einstimmen und dann ganz entspannt weiterreisen.

Oder es bietet sich eine spätnachmittägliche Weinprobe an, zum Beispiel in Condrieu. Da müssen Sie einfach Mut aufbringen und auch einmal an einem Haus klingeln, das weniger nach Château oder Domaine aussieht, sondern so, als könnte jeder von uns auch darin wohnen. Und wenn Sie Glück haben, treffen Sie auf ein Weingut wie die Domaine Christophe Pinchon übernommen hat. Auf wenigen Hektar Rebfläche erzeugt er seine Spitzenweine. Oder, wenn es Ihnen eher ums große Etikett als um eine Neuentdeckung geht, fahren Sie aufs Château-Grillet in Verin, wo es, abgesehen vielleicht von Montrachet und Yquem, die renommiertesten und damit teuersten Weißweine gibt.

Hier auch ein paar andere Weingüter in der Nähe.


Wie Sie über die Route Napoléon nach Süden fahren, lesen Sie HIER.



Sonntag, 10. April 2016

Sanary-sur-Mer: "Hauptstadt der deutschen Literatur"


Sanary um 1930: Die Hafenpromenade aufgenommen aus dem Hotel de la Tour,
in dem  Katia und Thomas wohnten, bis sie eine standesgemäße Villa mieten konnten.
Das Städtchen Sanary-sur-Mer hat lange keinen Wert darauf gelegt, daß es in den dreißiger Jahren zur heimlichen „Hauptstadt der deutschen Literatur“ wurde. Ludwig Marcuse hat dieses Schlagwort formuliert. HIER im VIDEO geht es ab der vierzehnten Minute um Sanary und einen Spaziergang, den ich mit Gundi Rubelli zu den Häusern von Thomas Mann und Lion Feuchtwanger gemacht habe.

Zunächst war der Ort geprägt vom Gedenken an Resistance und Befreiung. Übermächtig die Marmortafel am Rathaus, die an den 23. August 1944 erinnert, als Maréchal de Lattre de Tassigny „auf seinem siegreichen Weg an den Rhein“ auch in Sanary die Wehrmacht vertrieb. Gleich nebenan die Rue Gabriel Péri, die an den Organisator des Widerstandes erinnert; er wurde 1941 von den Deutschen erschossen.

Bis 1987 dauerte es, als am Maison du Tourisme von Bürgermeister Ferdinand Bernard eine erste Gedenktafel enthüllt wurde, die eine ganze Reihe von Exilanten verzeichnet. Bernhards Vater war Österreicher, und wie viele der damals „unerwünschten Ausländer“ mußte er einige Zeit im Lager von Les Milles bei Aix-en-Provence verbringen. Mehr als nur denkbar also, daß er dort mit Feuchtwanger oder Hessel Kontakt hatte.



Die Bars "Marine" und "Nautique" waren die Treffpunkte der Autoren.
Hier eine Postkarte vom Anfang der 30er Jahre.
Sein Sohn ist nun stolz darauf, daß die rechtspopulistische Front National in Sanary nur noch ein geringes Wählerpotential hat. Als Bernard ein FN-Gemeinderatsmitglied zum „Faschisten und einer Schande für die Gemeinde“ erklärte, wurde der Prozeß gegen den Bürgermeister ausgerechnet in Toulon verhandelt, einer Hochburg der Rechten. Zu einer Strafe von damals 1 Franc wurde er mehr symbolisch verurteilt.

Zunächst im Verborgenen hat sich der Regionalhistoriker Bartélémy Rotger des Themas angenommen und später in Hervé Monjoin einen würdigen Nachfolger gefunden. Er arbeitet bei der Gemeinde und ist heute das lebendige Lexikon für alle Fragen der Exilliteratur. Eine Verabredung mit ihm im „Nautique“ kommt bei seinem Lieblingsthema auch sehr kurzfristig zustande.

Eine Sammlung der Exil-Literatur kam als Geschenk der deutschen Regierung in die Stadtbibliothek und im Theater Galli blicken nun das Ehepaar Werfel und Thomas Mann auf die Besucher. Inzwischen ist
Kurze Informationen an den
ehemaligen Wohnhäusern der
Exilanten: Hier Walter Bondy
Sanary Etappe von Bildungsreisen-Anbietern geworden, sogar amerikanischen, und das Maison du Tourisme hält ein dreisprachiges Bändchen bereit; sorgfältige Infos und Vorschläge zu Spaziergängen auf den Spuren der Literaten.

Den beginnen Sie am besten, wie es auch die Stadtführungen tun, an der Gedenktafel: „Den deutschen und österreichischen Schriftstellern mit ihren Angehörigen und Freunden, die auf der Flucht vor der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Sanary-sur-Mer zusammentrafen.“ Insgesamt nur 36 Namen waren lange Jahre dort verzeichnet, bis die Liste im Januar 2011, also auf den Monat genau 70 Jahre nach Hessels Tod, durch eine auf 68 Namen erweiterte Tafel ersetzt wurde.


                                       Die Gedenktafel (erstmals 1987) für die verfolgten deutschsprachigen Schriftsteller
                                       und Künstler am Hafen von Sanary: Im Jahr 2011 kamen viele Namen dazu.


 




Samstag, 9. Januar 2016

In Uzès und Montpellier: Literatur-Open-Air

Christian Feller verkauft nicht jedem jedes Buch
Wer in Uzes eine Buchhandlung besuchen möchte, die mehr Buch-Sammlung als Buch-Handlung ist, kommt am Besuch bei Christian Feller nicht vorbei. Wenn man ihn findet (am Parkplatz auf der Rückseite des Tour Fenestrelle) und wenn er geöffnet hat. Von manchen Büchern seiner Sammlung trennt er sich höchst ungern und es kann Ihnen passieren, daß er sagt: "Dieses Buch verkaufe ich in diesem Jahr noch nicht. Kommen Sie doch im nächsten Sommer wieder." So könne er erkennen, ob dem Käufer auch tatsächlich etwas an diesem speziellen Titel liegt. Sein lesenswertes eigenes Buch "Uzes dans Guides et les Guides d'Uzès" verkauft er natürlich gerne an jedermann.


1929, als die Weinreben noch
so hoch wuchsen, daß sie per Leiter
geherbstet werden mußten
Tausende von Besuchern finden sich beim jährlichen Bücherfest in Uzès ein. Mehr als einhundert Autoren haben mit Unterstützung einer Bürgerinitiative ihre private Buchmesse initiiert. Nicht immer zur Freude der Verlage und derem Bestreben, die in Frankreich wieder eingeführte Buchpreisbindung auch durchzusetzen, verkaufen sie ihre signierten Exemplare.
„Mit meiner Unterschrift mache ich aus dem verlagsneuen ein gebrauchtes Buch und das kann ich natürlich auch unterhalb des Ladenpreises verkaufen“,
findet ein Autor in Uzès eine französische Lösung.



Open-Air-Buchmesse mit Gut-Wetter-Garantie
Das funktioniert so nicht bei der „Comédie des livres“ in Montpellier; der örtliche Buchhandel regelt das hier über Zentralkassen. Über dreihundert Autoren und fünfzig literarische Zeitschriften sind bei dieser publikumsnahen Open-Air-Messe vertreten. Den Namen hat die Veranstaltung nicht, weil es hier besonders lustig zugeht, das zwar auch, sondern nach dem Veranstaltungsort, dem mitten im Zentrum gelegenen Place de la Comédie.


Kennt sich aus in der Literaturgeschichte
des Departements Gard: Jean-Claude Hauc
Regelmäßig vertreten, einmal weil er in der Stadt wohnt, aber auch, weil er gerade sein fünfzehntes Buch veröffentlicht hat, ist Jean-Claude Hauc: „Le voyage et la plume“ heißt der neue Titel und handelt von tatsächlich noch mit der Feder schreibenden Autoren, die vom Mittelalter bis zur Belle Époque Montpellier ihre Reverenz erwiesen haben.

Obwohl er in Montpellier geboren wurde, spielt hier nicht ein einziger der zahlreichen Romane von Léo Malet. Seine Figur des immer abgebrannten und dennoch immer großkotzigen Privatdetektivs Nestor Burma passt allerdings auch besser nach Paris, wo Burma in jedem Arrondissement mindestens einen Fall löst. Wenn Sie Glück haben bekommen Sie noch irgendwo eine der Hardcover-Ausgaben des Elster Verlages und können mit dem touristischen Anhang und anhand der Karten einen

Meist rettet Nestor Burma leicht bekleidete junge Damen wie im "Stress um Strapse"
ungewöhnlichen Paris-Aufenthalt planen. Vom Diogenes Verlag wurde diese Idee für die Gesamtausgabe der Maigret-Romane übernommen.

Als Bankangesteller, Clochard, Herausgeber eine Modezeitschrift und dann protegiert von den Surrealisten um André Breton, sowie nicht zuletzt nach seiner Gefangenschaft im Stalag X-B (dem Stammlager B des Wehrbezirks 10 in Sandbostel bei Bremen) hatte Léo Malet aus zahlreiche Welten zu berichten; Erfahrungen die seinem Nestor Burma zugute kamen. In „Nestor Burma in der Klemme“ - dessen größte Sorge ist es, auf dem Schwarzmarkt wieder an Pfeifentabak zu kommen - beschreibt Malet das weitgehend unaufgeregte Alltagsleben während der deutschen Besatzung von Paris.