Freitag, 16. Juni 2017

Uzès: Der Optimismus der Maud Dardenne

„Me you“ signiert Maud Dardenne ihre zeitaufwändigen Bilder, manchmal fotorealistische Portraits und manchmal Bilder, die einen erst an den Zöllner Rousseau und dann den Abenteurer Gauguin denken lassen. „Weil sie von mir kommen und an Dich gehen“, so die einfache Erklärung.

Dardenne hat nach dem Studium der Grafik an der Ecole Sornas viele Jahre als Grafikerin für das Vallée de la Seine gearbeitet, für Kulturzentren und Mediatheken Plakate entworfen, die Gestaltung von Bühnenbildern übernommen und als Professeur d'Arts Plastiques Studenten unterrichtet.


Ein paar Jahre hat sie in den Cevennen verbracht, in Pont de Monvert, wo sie für die Assoziation L’Arbre Seul tätig war und nun, seit 2007 in Uzès in ihrer eigenen Atelier-Galerie am Boulevard Victor Hugo 4 auf Höhe der Kirche Saint Etienne (06 52 87 21 25). Hier lebt Maud Dardenne jetzt mit und für ihre Kunst, die sie altmeisterlich und höchst exakt in Öl auf Leinwand realisiert. Für den Aufwand verkauft sie ihre Bilder viel zu billig.

Die meiste Zeit verbringt sie im Atelier, das zugleich Küche ist. Des öfteren kauft sie mit Freunden oder Kursteilnehmern auf dem Samstagsmarkt in Uzès Gemüse ein, das erst als Vorlage für Stilleben dient und hinterher gemeinsam zubereitet und gegessen wird.

„Ich bin keine Malerin, die religiöse Motive in Mittelpunkt stellt, aber die Symbolik ist mir wichtig. Und, daß man sich längere Zeit mit meinen Bildern beschäftigt, das Verborgene und Zwiespältige sieht oder das Androgyne.“

So stand ihr ein siebzehnjähriger Junge Modell für das Bild eines Engels. Drei Jahre später hätte sie ihn so nicht mehr malen können, so eindeutig hatte er sich zum Mann verändert. Ihre Modelle findet sie auf dem Markt oder abends in einer Bar…“und leider wird das oft sehr teuer für mich, da ich so langsam male…“, lacht sie. Der Optimismus, den die meisten Bilder ausstahlen, begleitet sie durch ihr Leben.

Weitere Künstler aus Uzès und Umgebung finden Sie hier mit Roma&Bredel, oder hier mit Oliver Bevan oder hier mit Iva Tesorio und Jürg Treichler oder hier mit Viva Blevis und John Townsend.


 

Samstag, 10. Juni 2017

Uzes: Roma, Bedel und Roxanne Pacquetet

Roma's Schattenspiele
Pastel gras, "fettes Pastell", nennen französischsprachige Künstler ihre Ölpastellkreide. Gleich Zweien, die in dieser Technik arbeiten,  bin ich in letzter Zeit begegnet: Jean-Pierre Le Brozec im Kloster von Tarascon und Mireille Couston - Künstlername Roma - in ihrer Galerie in Uzes, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Thierry Bedel, ebenfalls Künstler, in der Rue Jacques d'Uzès Nummer 11 betreibt. Irgendwie liegen die Kunst bei Großmutter Roma und das Kunsthandwerk
bei der Enkelin Roxanne Pacquetet in der Familie. Auf dem Samstagsmarkt präsentiert Roxanne ihre Handtaschen, jedes ein Unikat, vor der Galerie.

Das Malen mit Pastellölkreide braucht viel Erfahrung, der Farbauftrag erfolgt zeichnerisch, aber in fließenden Bewegungen, oft verwischt. Der Begriff Pastell ist da ziemlich irreführend, den die Farben sind intensiv und können in der Leuchtkraft noch erhöht werden, wenn mehrschichtig übereinander gemalt wird.


Roma mit eigenem Werk
und Bedel's Lavendel
So entstehen die beeindruckenden Licht-Schatten Kompositionen von Roma, die ihre Motive oft vor Ort, manchmal aber auch nach Fotos malt. Zu den wiederkehrenden Motiven gehören Ansichten des platanenbestandenen "Place aux Herbes" in Uzes. Der besondere Effekt der Bilder entsteht durch die dem Farbpigment zugefügten Öle und Wachse.

Le Brozec gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten französischen Pastellmalern, der insbesondere die unterschiedlichsten Hauttöne so trifft, dass man immer versucht ist, darüber zu fahren, um sicher zu sein, dass es auch tatsächlich nur ein Gemälde ist. Das haben dann auch tatsächlich so viele Besucher getan, dass die die empfindliche Ölkreide durch leider nicht entspiegeltes Glas gesichert wurde. So kommt man zu ganz neuen Ansichten im Cloître des Cordeliers, das mitten in der Stadt, aber mit verstecktem Eingang, am Place Frédéric Mistral liegt.


Ein Le Brozec-Portrait, in dem sich der Klosterkreuzgang von Tarascon spiegelt
und, für Ihren Besuch, ein Blick auf die handkolorierten Visitenkarten und Roma et Bredel

Samstag, 27. Mai 2017

Rivesaltes: Der lange Kampf ums Erinnern

 
Das Lager von Rivesaltes wurde 1938 ursprünglich errichtet, um französische Soldaten auf die unwirtlichen Verhältnisse im Wüstenkrieg und den Kämpfen in anderen extremen Klimazonen vorzubereiten. Benannt wurde das Militärlager zunächst nach dem Oberbefehlshaber der französischen Truppen im Ersten Weltkrieg, Joseph Joffre, der im Örtchen Rivesaltes geboren wurde. Ab 1939 – aus dem Lager wurde ein „Centre d’Herbergement“ wurden hier aber ganz anderen Menschen „aufgehoben“: Flüchtlinge des Spanischen Bürgerkrieges, dann Sinti und Roma, Juden aus Baden und später, nach dem Algerienkrieg die Harkis, Nordafrikaner, die auf der Seite Frankreichs gekämpft hatten. Einige von denen, die 1962 hierher kamen, verließen das Lager erst 1976.

Wer heute das Wort Rivesaltes hört, denkt vielleicht zunächst an die dortigen Süßweine, aber hier in der Ebene ist das Klima so hart und gegensätzlich, dass nicht einmal die anspruchslosen Weinreben wachsen. Extreme Tageshitze und tiefe Minusgrade in den Winternächten, die Fallwinde der Pyrenäenund und auch die unhygienischen Verhältnisse im Lager verursachte viele Todesfälle. Und genau 2.313 Juden wurden von hier in die Vernichtungslager geschickt.

Es hat Jahrzehnte gedauert, bis der französische Staat seiner Pflicht zum Erinnern nachkam.
„Das Schweigen über das Lager von Rivesaltes war ‚national‘, die Tür für die Erinnerungsarbeit musste erst aufgestoßen werden“,
so die Journalistin Ursula Welter in einem Beitrag für den Deutschlandfunk.
Kurz vor der Eröffnung der Erinnerungsstätte habe ich einen halben Tag im Lager verbracht, zwischen den kaum zerfallenen Baracken, dem Stacheldraht, der überall noch aus dem Boden hervorsticht und den verrosteten Sardinendosen, die an die Insassen regelmäßig ausgeteilt wurden.

Die Aufarbeitung der Lagerzeit durch Zeitzeugen kann hier inzwischen, in Les Milles hat es Jahre zuvor noch geklappt, kaum mehr gelingen. Immerhin gab es örtlichen Vereine, die das lange vor Eröffnung der offiziellen Gedankstätte versuchten. Etwa die „Anciens Combattants Prisonniers de Guerre Combattants d'Algérie, Tunisie, Maroc ( http://www.fncpg-catm.org/) oder die « Fils et Filles de Républicains Espagnols et Enfants de l’Exode » (http://ffreee-retirada.blogspot.fr/ )
Der damalige Staatspräsident Sarkozy ließ sich das Gelände bezahlen, bevor dort die historische Arbeit aufgenommen werden konnte. Der Sozialist Bourquin lässt heute kein gutes Haar an seinem konservativen Verhandlungspartner von einst. Sarkozy habe von einer Gedenkstätte zunächst nichts wissen wollen, erst im Wahlkampf 2012 habe er Rivesaltes für sich entdeckt und für ein paar werbetaugliche Fotos am Rande einer Stippvisite genutzt. "Ich denke, ganz klar, dass er persönlich ein Problem mit Erinnerungsarbeit hat“,
sagte Bourquin im DLF-Interview.

Die 2015 dann doch eröffnete Gedenkstätte lohnt den Besuch. Architekt Rudy Ricciotti hat große Teile in die Erde gebaut; kein Gebäudeteil sollte die Baracken überragen.

Die Homepage, wenn Sie dem Link gefolgt sind, ist hoffentlich aktueller als im Mai 2017, als vorwiegend Veranstaltungen des Vorjahres präsentiert wurden. Und warum das Memorial auch noch mit einer Anzeige in Google wirbt, obwohl man längst als erste Fundstelle angezeigt wird, muss man ja nicht verstehen.

 

Samstag, 20. Mai 2017

Anduze: Liebesbriefe und Reklamationen an EDF

Die Cevennen und ihre vorgelagerten Ebenen sind eine Region mit einer überproportionalen Quote von Menschen, die französisch kaum bis sehr schlecht sprechen und manchmal gar nicht schreiben - nicht zuletzt die vielen Nordafrikaner aber auch spanische Einwanderer, oft ehemalige Erntehelfer, die hier geblieben sind.

In Anduze findet deshalb Françoise Poupart als „Ecrivain public“, als öffentliche Schreiberin, ihr Auskommen. Manchmal muß man nicht einmal ihr Büro aufsuchen, sondern trifft sie auf dem Markt. „La Plume de Françoise“ heißt ihr kleines Unternehmen, in dem sie Briefe an France Telecom oder die Gas- und Elektrizitätswerke ebenso schreibt wie einen Liebesbrief oder den kondolierenden.

Daneben auch Familien- und Firmengeschichten oder in wohlgesetzten Worten, wie man sich von ihr oder ihm trennt.

Samstag, 13. Mai 2017

Combes: Der Wald der toten Schriftsteller

Man muß schon eine Vorliebe für sehr ausgefallene Orte haben, um sich von Sauve noch einmal mindestens zweieinhalb Stunden weiter in die Cevennen, genauer gesagt ins Massiv von Caroux-Espinouse hinein zu wagen. Dann erreichen Sie den „Forêt des écrivains combattants“ zwischen Combes und Rosis. Bevor Sie dieses Wagnis auf engen und schlaglöchrigen Straßen eingehen, Wegen eher, auf denen Sie zudem neununddreißigmal weder eine Abbiegung verpassen noch einmal falsch aus einem Kreisverkehr hinausfahren dürfen, sollten Sie Ihr GPS einstellen. Nur mit Karte werden Sie scheitern.
Genau 560 Autoren wurde dort, in einem über einhundert Hektar großen Gelände, ein Naturdenkmal gesetzt, ein Baum für jeden der französischen Schriftsteller, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind: Pinien, Zedern, Douglasien und die aus den Vereinigten Staaten stammenden Roteichen. Auch die Toten des Zweiten Weltkrieges sind inzwischen berücksichtigt.
 
Neben alliierten Mitstreitern aus Nordamerika und Italien befinden sich auch die beiden Frauen Marietta Martin und Irène Némirovsky auf der Liste. Viele der Autoren, sieht man einmal von Antoine de Saint-Exupéry und Paul Drouot ab und vielleicht noch Charles Péguy, sind in Deutschland (und ein paar weniger in Frankreich) völlig unbekannt.

Die Idee dazu propagierte der ehemalige Marineoffizier und Schriftsteller Claude Farrère, der 1931 Vorsitzender der Association des écrivains combattants war. Noch mehr als zehn Jahre nach Kriegsende kämpfte er um die den Kriegsversehrten versprochenen, aber nicht ausgezahlten Pensionen. Wenige Jahre später wurde er in die Académie française gewählt.

Ysabelle Lacamp gehört zu den aktuellen französischen
Schriftstellern, die sich für den Wald der toten Kollegen einsetzen


Mit Emmanuel Bourcier hatte Farrère den Mann an seiner Seite, der das Projekt vor Ort betrieb und in der Landschaftsgärtnerin Francisque Lacarelle eine überzeugte Mitstreiterin, die die weitere Aufforstung des Gebietes umsetzte. Dabei pflanzte sie mehr als zehntausend Bäume auf eigene Kosten. Bei der Jahrhundert-Überschwemmung von 1983 wurde ein Viertel des Gebietes völlig zerstört.

Den Roman von Danielle Auby über den „Wald der toten Dichter“, der 1993 als „Bleu Horizon“ in Frankreich erschien, können Sie lesen, wenn Sie ihn wirklich nur als Roman begreifen und es Ihnen auf historische Ungenauigkeiten nicht ankommt. Keinesfalls sind alle toten Dichter im Jahr 1891 geboren: Péguy 1873, Drouot 1886 und Martin 1902.


 
 
Charles Peguy      Bild Wiki cc

Der Tod ist nichts

Der Tod ist nichts, ich bin nur in das Zimmer
nebenan gegangen. Ich bin ich, ihr seid ihr.
Das, was ich für Euch war, bin ich immer noch.
Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt.
Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt.
Gebraucht nicht eine andere Redensweise,
seid nicht feierlich oder traurig.
Lacht weiterhin über das, worüber wir gemeinsam
gelacht haben.
Betet, lacht, denkt an mich, betet für mich
damit mein Name im Hause gesprochen wird,
so wie es immer war,
ohne besondere Betonung, ohne die Spur des Schattens.
Das Leben bedeutet das, was es immer war.
Der Faden ist nicht durchschnitten.
Warum soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein,
nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin?
Ich bin nicht weit weg,
nur auf der anderen Seite des Weges.


Charles Peguy


PS. Mit dem „Club der toten Dichter“ von Nancy Kleinbaum hat das überhaupt nichts zu tun und sei hier nur erwähnt, weil Kleinbaums Roman einer der wenigen ist, die nach einer Verfilmung entstanden sind.

Sonntag, 7. Mai 2017

Saint Cézaire de Gauzignan: Oliven sind "Eine Frage der Zeit"

Rot oder schwarz: Nie roh

Nichts wie unbeschreiblich bitterwiderlich schmecken rohe Oliven, von denen Sie einmal eine vom Baum probieren sollten; und zwar ganz egal, ob grün, violettgrün oder schwarz. Der Dichter Racine hat diese Erfahrung gemacht und beschrieben. Noch Stunden später hat er diesen fürchterlichen Geschmack im Mund gehabt.

Olivenbäume zu pflanzen ist etwas, bei dem man an die nächste oder übernächste Generation denken sollte. "Eine Frage der Zeit" also, ähnlich wie beim Bau des kleinen Kriegsschiffes im genialen Buch von Alex Capus. Dort werden drei Werftarbeiter in Deutsch-Ostafrika zum Verzögerer der Zeit.

Wer die Zeit überlisten will und das Glück hat, dasss der Baum angeht, kaufe sich eine Olive von hundert oder zweihundert Jahren und zahle einen ordentlichen vierstelligen Betrag.
Wenn der Baum angeht, können Sie ein Jahr später die ersten eigenen Oliven pflücken. Und dann?
Der Versuch, die Oliven einmal selbst einzulegen, wird beim erstenmal aller Voraussicht nach so daneben gehen, daß Sie lieber weiter viel Geld auf dem Markt ausgeben werden. Soviele Spezialisten Sie fragen, so viele Ratschläge über die „einzig korrekte und traditionelle“

Eingelegte Oliven in allen Variationen                                                  Bild Dominik Fehringer
Vorgehensweise bekommen Sie. Als der Olivenbaum unserer Nachbarin Yannick nach vierzehn Jahren umgepflanzt wurde und im fünfzehnten Jahr erstmals trug, weil er in dem Jahr nur mit dem stark gechlorten Wasser des Schwimmbads gegossen worden war, hatte sie in kürzester Zeit ein kleines Rezeptbüchlein gefüllt. Meist stammten die Rezepte von Männern.
Überschaubare Ausbeute nach 15 Jahren

Patrice schwor auf die ange-
stochenen Oliven. Tagelang hatte er seinem Großvater helfen müssen, jede einzelne Olive mit ungefähr zwanzig Nadelstichen zu piquieren. Da mußte erst die Großmutter darauf kommen, einen halbierten Korken mit zahlreichen Nadeln zu spicken, um das Verfahren zu beschleunigen. Für die dreihundert Gramm, die Yannick von ihrem Bäumchen abgepflückt hatte, ging das auch ohne „Igel“. Dann einen Tag unter Salz verstecken, um sie zu entwässern und später in einem Topf mit Lorbeerblättern, Rosmarinzweigen und ungeschälten Knoblauchzehen in Olivenöl einlegen.

Musterbeispiel eines gepflegten Olivenhains mit 80jährigen Bäumen
„Das könne ja nicht funktionieren“, war sich Monsieur Martin sicher. In jedem Fall sei es besser, wenn man die Oliven nicht ansteche, sondern spalte, ganz schwierig allerdings, weil die Olive, wenn man mit dem kleinen Holzhammer draufschlage, auf keinen Fall zerquetscht werden dürfe. Dann vier Wochen lang bei täglichem Wasserwechsel entbittern. Schließlich werden die Oliven in einer Salzlake, die mit Fenchel, einer Handvoll Lorbeerblättern und Orangenschalen gewürzt wird, gekocht und bleiben danach für sechs bis acht Wochen haltbar.

Der Zeitpunkt der Ernte spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Da können Sie einfach am Kalender der Heiligen orientieren. „Per Santo Catarina l’oli est à l’oulivo, per San Blaise l’es encore mai”, heißt es auf provenzalisch, also besser die Oliven am Blasiustag als am Katharinentag ernten, weil dann noch mehr Öl drin zu finden sei.

Ein Mitbringsel, mit dem Sie Ehre einlegen werden, kommt aus der Ölmühle von Roger Paradis zwischen Saint-Cézaire de Gauzignan und Martignargues. Paradis, die Familie macht Olivenöl in vierter Generation, nimmt für seine Produktion ausschließlich die Oliven aus der näheren Umgebung. Manchmal im Winter steht eine lange Schlange von „Lieferanten“ in privaten Autos vor seinem Haus, manche mit nicht mehr als einem oder zwei Eimern voll, die vom Olivenbaum im Garten oder vom wieder ausgeschlagenen Baum auf dem schwer zugänglichen Grundstück des Großvaters stammen. Bei dem großen Frost des Jahres 1956 erfroren Hunderttausende selbst älterer Olivenbäume im westlichen Mittelmeerraum.
Die langfristigen Bäume wurden durch kurzfristige Reben ersetzt.

Donnerstag, 4. Mai 2017

Theodor Wolff: Irrfahrt über Nizza, Cannes, Aix-en-Provence und Montpellier

Die Promenade der Engländer heute,
aber scheinbar in der 1930er Jahren. Ein Foto von mue62 und gleichzeitig der Link
zu vielen weiteren beeindruckenden Fotos aus Südfrankreich.
Theodor Wolff, ehemaliger Chefredakteur des Berliner Tageblatts, das bis 1933 die einflußreichste Tageszeitung der Hauptstadt war, hatte Autoren wie Alfred Kerr, Rudolf Olden, Kurt Tucholsky, Joseph Roth und Alfred (und nicht Albert) Einstein für das Blatt gewonnen. Früh mußte er aus dem nationalsozialistischen Deutschland fliehen.
In Nizza hatten sich die Wolffs nach 1938 behaglich eingerichtet. Ein Haus am Meer, einige tausend Bände in der Bibliothek, die alten Möbel und Bilder - zu jedem konnten sie die Geschichte erzählen, wie sie auf einem der Pariser Flohmärkte gefunden hatten und warum sie es dann gekauft hatten – aber auch die vielen Treffen mit freundlichen Menschen hatten sie hoffen lassen,
„nicht wieder hinaus zu müssen, in eine verrückte Welt, in das Chaos und die dunkle Ungewißheit“.

Selbst die wenigsten Journalisten wissen
mit dem Namen noch etwas anzufangen. Bild BDZV
Wolff war angesehen in Nizza, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, daß einer seiner beiden Söhne auf Seiten Frankreichs in der Fremdenlegion kämpfte. „Sie haben nichts zu befürchten“, hieß es von der Präfektur.

Dann aber doch. Alle Österreicher und Deutschen hatten das Gebiet der 14. Militärzone sofort zu verlassen. Ein letzter Gang durch die Stadt, ein Blick auf die Boulespieler, die das alles nicht interessiert:

„Kleinbürger in Hemdsärmeln messen nach jedem Kugelwurf sachkundig und wichtig die Distanz.“
Abfahrt nach Cannes, im Gepäck die Flohmarktkäufe wie ein kleines Mädchenbild von Gauguin und einen Toulouse-Lautrec. Zwei Tage später ein Hotel in Roquefavour bei Aix; da fallen abends die ersten Bomben und eine alte Engländerin setzt sich mit ihrem Opernglas in den Garten, „um das Schaupiel besser genießen zu können“. Weiter über Arles nach Montpellier und Saint-Gilles, „wo ein anlockendes Plakat die Existenz eines WC verkündet und damit die Vornehmheit“ des Hotels zu erkennen gibt.

Der Krieg, „der dort irgendwo im Norden Frankreichs Schrecken und Unglück erzeugt“, findet hier nicht statt; man liest allenfalls darüber.

„Hier unten, wo weder die Deutschen noch die Italiener die Sonne des Lebens verdunkeln, ist der Krieg eine Angelegenheit des Nordens, im übrigen sogar die Ursache mancher, allerdings taktvoll verschwiegener Vorteile, da er so viele zahlungsfähige Personen in die sonst spärlicheer besuchten Gegenden treibt."
Wolffs Bemühungen, Ausreisepapiere in die Vereinigten Staaten zu erhalten, scheitern mehrfach. 1943 wird er, wieder zurück in Nizza, von der italienischen Besatzungsmacht verhaftet, an die Gestapo ausgeliefert und stirbt noch im gleichen Jahr, nach einer Gefangenschaft im Konzentrationslager Oranienburg, im Jüdischen Krankenhaus in Berlin.

Den meisten ist Wolff nur als Namensgeber für den Journalistenpreis geläufig, den der Bundesverband der Zeitungsverleger jedes Jahr verleiht.

Samstag, 29. April 2017

Salon de Provence: Seifenmanufakturen Fabre und Rampal-Latour

Julie und Marie Bousquet-Fabre   Bilder:Schetter
Es waren einmal vierzehn; nur noch zwei Manufakturen für Seife gibt es heute in Salon de Provence: Marius Fabre und Rampal-Latour (in der rue Félix Pyat) stellen die traditionelle Savon de Marseille in vierter Generation beziehungsweise seit 1828 her.

Als im Jahr 1900 der 22jährige Marius Fabre in einer Scheune in Salon-de-Provence zwei Seifensiedekessel und ein paar Gießbecken aufstellte, begann eine Familientradition, die andauert. Julie und Marie Bousquet-Fabre, die Urenkelinnen des Gründers kümmern sich heute in der Avenue Paul Bourret ums Geschäft.

1688 legt Ludwig XIV. mit dem Edikt von Colbert die Regeln für die Herstellung der Seife fest. Sie muß in offenen Kesseln gesiedet und darf ausschließlich aus hochwertigen pflanzlichen Ölen hergestellt werden. Künstliche Farbstoffe und Konservierungsmittel sind tabu. Marius Fabre ist heute eine von nur noch vier traditionellen Seifenmanufakturen, die nach diesen Regeln arbeiten.


Pflanzenöl und Soda kochen
zehn Tage bei 125 Grad
Eine Spezialität bei Fabre ist die Herstellung einer schwarzen Schmierseife „Savon Noir“; auch auf der Basis von Olivenöl . Sie ist ein „Wundermittel“ für vielfältigste Anwendungen, von der Bodenpflege bei Holz und auf Fliesen bis hin zum putzen von Silber oder Kupfer. Auf dem Hundefell hilft sie gegen Blattläuse und macht das Fell besonders weich und glänzend.

Das Museum direkt neben der Fabrik lohnt den Besuch, auch weil speziell für Kinder ein Workshop mit dem Diplom des „kleinen Seifensieders“ angeboten wird.


Noch einmal gut 70 Jahre ist die Manufaktur Rampal-Latour . Deren Gründer, Pierre Rampal lernte sein Handwerk in Marseille, wo er auch Seifenmeister wurde. Eine erste große Auszeichnung, eine Goldmedaille, gab es auf der Weltausstellung des Jahres 1900. Zu Beginn der 1950er Jahre, bedingt durch das Aufkommen der Waschmaschinen, fanden viele Siedereien keine Abnahme mehr. Rampal-Latour und Fabre überlebten, weil sie sich mit naturreinen kosmetischen Produkten dem Markt anpassten und einen Trend eher mitbegründeten als aufsprangen.

Samstag, 8. April 2017

Bambousseraie bei Anduze: Kleines Asien im Midi

Auch roter und schwarzer Bambus in der Bambousseraie bei Anduze
In den Bambusgärten von Prafrance bei Anduze herrscht das Mikroklima wie man es eher aus den subtropischen Gegenden Kleinasiens oder Südamerikas kennt. Bei Filmaufnahmen, wie zum Beispiel für Clouzots „Lohn der Angst“ aus dem Jahr 1952, mußten die Bambuswälder als südamerikanische Kulisse für Yves Montand, der aus Marseille stammt, und Peter Van Eyck herhalten.

Bestimmte Sorten wachsen bis zu 1 Meter pro Tag
Der Name des rund fünfunddreißig Hektar großen ehemaligen Landgutes hat eine zum Leidwesen der Eigentümer heute nicht mehr gültige Bedeutung. Prafrance bedeutete einmal steuerfrei. Eugéne Mazel, ein reicher Gewürzhändler und Botaniker, hatte das Gut Mitte des 19. Jahrhunderts gekauft, um sich sein Asien in Südfrankreich zu verwirklichen. Das gelang in der Anfangsphase auch, doch dann führten die immensen Kosten für Personal und die künstliche Bewässerung zu seinem Ruin.

Seit 1902 ist es nun die Familie Nègre- Crouzet, die die Parkanlagen führt, jährlich weiter ausbaut und ein gewinnbringendes Unternehmen daraus gemacht hat. Nicht nur der Berliner Zoo ist guter Kunde in Prafrance; von hier kommen die Bambusschößlinge für die Pandas in zahlreichen Zoologischen Gärten. Zwei bis vier Stunden sollten Sie für die Besichtigung der Wassergärten, der Koi-Teiche, des Labyrinths und des Teehauses einplanen. Nur niemals an einem Sommersonntag nach zehn Uhr hierher kommen. Es sei denn, Sie wollen die dann mindestens dreißigminütige Wartezeit vor der Kasse mit der Lektüre des ausgesprochen gut übersetzten deutschen Führers verbringen.

Eine verwunschene Wasser- und Urwaldlandschaft
Dem Reiz am Ausgang eine kleine Bambuspflanze im Topf mitzunehmen, sollten Sie widerstehen. Es sei denn, Sie hätten vor, in Ihrem Garten einen jahrelangen Kampf gegen einen späteren Bambusdschungel zu führen. Einen Kampf, den Sie mit Ihrem normalen Gartenwerkzeug zudem ziemlich sicher verlieren. Aber viele Landschaftsgärtner freuen sich über den Auftrag Ihren Garten mit Bagger und Radlader umzupflügen, um die meterlangen Wurzeln zu entfernen.

Sonntag, 2. April 2017

Alès: Der Resistance-Dichter und sein Drucker


In einem der heruntergekommenen Stadtviertel von Alès zeugt ein Museumsbergwerk von besseren Zeiten. Hier, wo schon die Benediktiner im 13. Jahrhundert mit dem Abbau der Kohle begannen, zieht sich ein 650 Meter langer Gang durch den Berg Montaud. Ganz authentisch vermitteln ehemalige Bergwerker Arbeit, Leben und Gefahren unter Tage. Bei nur 14 Grad Temperatur gehört ein Pullover zur Ausrüstung. Hier können Sie auch gut ihre größeren Kinder „abladen“, während Sie dreihundert Meter weiter die Straße runter in eine völlig andere Welt einfahren.

Wirklich sehenswert und das bei freiem Eintritt
Eine sorgfältig renovierte neoklassizistische Villa, eine wahre Schatzkammer für Buch- und Kunstfreunde. Nur soll dieses Haus offensichtlich niemand finden, denn die wenigen Hinweisschilder auf „P.A.B.“ lassen an alles mögliche denken, nur nicht an die Musée-Bibliothèque von Pierre André Benoît. Selbst wenn Sie nicht zur Mine wollen, können Sie aber deren Beschilderung „Mine témoin“ folgen und fahren dann automatisch an der Musée-Bibliothèque vorbei.

Benoît und seine Künstler
 
Für Braque, Miro, Picasso und Arp war Benoît die Anlaufstelle, wenn es um qualitativ hochwertige Drucke ihrer Kunstwerke ging. Und auch vielen Autoren war André Benoît der Ansprechpartner, um mit René Char und Paul Valéry oder André Breton nur die bekanntesten zu nennen. Vor allem die Zusammenarbeit mit René Char hat den Drucker
und Verleger Benoît geprägt. Bis zum Jahr 1954, als sie sich endlich auch persönlich kennen lernten, hatte Benoît bereits eine ganze Reihe der Bücher Chars gedruckt.

Daß später Picasso und Matisse die Bücher René Chars, der als Dichter der Resistance in die Literaturgeschichte eingegangen ist, illustrierten oder Georges Braque die von Benoît verlegten Bücher, war dann schon völlig selbstverständlich. Aus solchen Druckaufträgen und Kooperationen hat Benoît seine Sammlung aufgebaut.