Samstag, 20. August 2016

Vienne: Hier ist alles schon geschehen


Nichts Neues in Vienne

Wenn Sie nur Ihre Ruhe brauchen, wollen, daß sich gar nichts tut, bleiben Sie in Vienne und überprüfen die Einschätzung von Joseph Roth, der sich als Feuilletonkorrespondent der Frankfurter Zeitung dort schon 1925 langweilte: „Aus dieser Stadt gibt es nichts zu berichten. In dieser Stadt geschieht nichts mehr. Es ist alles schon geschehen.“ Eine Generation später der gleiche Eindruck bei Wolfgang Koeppen, der nach dem Krieg mit seiner „Trilogie des Scheitern“ als fast Fünfzigjähriger schnell einen Namen erschrieb und es dann, abgesehen von feuilletonistischen Reisebeschreibungen, auch dabei beließ. „Wofür aber, wenn nicht für Essen, konnte man in Vienne schon Geld ausgeben?“

Folgen Sie zum Mittagessen den Bauarbeitern

Koeppen war zur Mittagszeit den Bauarbeitern gefolgt, die ihn nahe dem römischen Theater in eine kleine Wirtschaft führten; mit sechshundert Francs, damals rund sechs Mark, war das Mittagsmenue ausgezeichnet. „Und ich bekam wie sie, von einem freundlichen derben Mädchen aufgetragen, das Menue: eine Leberpastete, mit Käse überbackenen Tomatenreis, gekochtes Ochsenfleisch, eine Schüssel voll grünem Salat, ein großes Stück Käse, Kirschen nach Verlangen und dazu einen halben Liter algerischen Rotwein.“ Zumindest die Jazz- und Opernfreunde wissen, daß man heute in Vienne auch Geld für andere Dinge ausgeben kann. Sehr britisch ausgerichtet der Vergleich von Lawrence Durrell, für den Vienne das Bournemouth der Antike ist. „Pensionierte Diplomaten ließen sich dort nieder. Der berühmteste unter ihnen war Pontius Pilatus, der hier einen ruhigen Lebensabend verbrachte, nachdem er den Nahen Osten mit seinen lästigen und ärgerlichen Problemen und seinen törichten Agitatoren verlassen hatte. Wir gedachten seiner bei einem Glas rosigen Weins.“