Donnerstag, 14. Mai 2015

Boule in Marseille: Diesmal mit "runden" Kugeln

Boule: Ursprünglich genagelte Holzkugeln
Auf den allermeisten platanenbeschatteten Plätzen und erst recht in Vézénobres wird Boule zum Spaß gespielt und dort sogar mit "eckigen Kugeln"; wie das geht lesen Sie HIER. Ansonsten ist Boule eine ernste Angelegenheit und für manchen auch ein gutes Geschäft. In Marseille produziert das Familienunternehmen Rofritsch Boulekugeln. Da niemand das Unternehmen - "La Boule Bleu" heißt die Firma - im Gewerbegebiet La Valentine (57, Montée de Saint Menet)gefunden hat, wurde nun , mitten im Panierviertel, ein Boule-Treffpunkt eröffnet: Eine überdachte Boulebahn gibt es, auf der natürlich geraucht werden darf, zahlreiche Exponate, die sich zu einem Boule-Museum entwickeln können und natürlich die Möglichkeit Kugeln zu kaufen, in der Holzkiste oder einem Geschenkköfferchen, in dem die Flasche Pastis gleich mit dabei ist.
Museum, Geschäft und Bouleplatz in Einem
Und mit dem Pastis sind wir bei Monsieur Ricard aus Marseille, der vor mehr als 50 Jahren das inzwischen weltgrößte Boule-Turnier ins Leben rief: Mondial La Marseillaise à Pétanque. An dieser Weltmeisterschaft, immer im Juli, nehmen mehr als zehntausend Spieler teil und die Besucherzahlen lagen zuletzt über 200.000.

Testbahn im Haus                  Beide Bilder von André Simon
Hervé Rofritsch erzählt HIER IN EINEM KURZEN VIDEO etwas über die Produktion und die Geschichte seines Familienunternehmens, das er in vierter Generation fortführt.Der nicht gerade besonders französisch klingende Namen kommt aus dem Elsaß, wo Firmengründer Félix Rofritsch her stammt. Nach einer Seefahrerkarriere wollte er an sich in die Heimat zurück, doch die war ja seit 1871 von den Deutschen besetzt. Und so blieb er in Marseille, der Hafenstadt, die er oft angelaufen war. Seine Söhne Fortuné und Marcel entwickelten eine Karbon-Stahl-Legierung, die den Kugeln eine mattblaue Farbe gab. Und jeder wollte "La boule bleu", zumal schnell auch die Champions wie Lovino, Locatelli und Charly de Gémenos mit diesen Kugeln spielten und gewannen. Fernand Moraldo aus La Ciotat, ehemaliger Weltmeister, erzählt HIER ETWAS ÜBER DIE GESCHICHTE DES BOULE (Video).
Marktführer in Frankreich ist die Firma OBUT, die in Saint-Bonnet-le-Château (Route du Cros) an der Loire ein großes Boule- und Petanque-Museum betreibt.

Wenn Sie dem folgenden Link folgen, dann wissen Sie, warum Boule in Kriegszeiten für SOLDATEN UND ARBEITER VERBOTEN war.

Sonntag, 10. Mai 2015

Wege in den Midi: Durch Alpen, die Cevennen oder durchs Rhônetal


Entlang der Route Napoléon. Wieder eines der genialen Bilder von Steffen Lipp

Wenn Ihnen Reisen mehr ist, als Warten auf das Ankommen und Sie so glücklich sind, Zeit zu haben, dann fahren Sie vielleicht durch die Schweiz, über die französischen Alpen oder auf der Route Napoléon in den Midi. Da gibt es eine gut lesbare Routen-Beschreibung von Stefan Scheytt in GEO, die sie HIER nachlesen können

Oder von der anderen Seite, ganz von Westen her durch das Zentralmassiv und dann auf den Wegen der Kamisarden, der aufständischen Protestanten zu Beginn des 18. Jahrhunderts, durch die Cevennen. Wahrscheinlich werden Sie aber doch auf der Autobahn durch Elsaß, Jura, Burgund und entlang der Rhone fahren, des Flusses, der bei den Griechen nur „die Straße“ hieß, auf der Felle und Bernstein nach Süden kamen und Salz und Olivenöl nach Norden.


Durrell: Eine Villa wie in den Romanen Balzacs
Der Engländer Lawrence Durrell, den wir als trinkfestem Romanschriftsteller in Sommières wiedertreffen, reiste mit dem Schiff von Lyon nach Avignon.
„Die Rhone beschert uns in schneller Folge ihre historischen Stätten und kleine trunkene Städtchen, eingekuschelt zwischen Weinbergen und gebadet in der Unbekümmertheit träger Tage und trägen Schweigens, das nur unterbrochen wurde durch das Schnippschnapp der Scheren in den Weinbergen - die heilige Beschneidung, die den elegischen Sommer der Provence beendet.“

Lieber Pastis als Wein
Für Durrell war, man merkt es leicht, der Wein wichtiger als die Baudenkmäler unterschiedlichster Epochen, und wenn man aus den Trauben hätte Pastis herstellen können, wäre sein Glück im Süden vollkommen gewesen.

Ähnlich, allerdings liebte er den Wermut, ging es seinem kanadischen Kollegen Jack Kerouac, der Ende der fünfziger Jahre ebenfalls in Avignon landete und vor allem eines wollte: Schnell wieder weg.

„Gassen schmutziger als mexikanische Slums und überall entlang der Steinmauer zerlumpte Kinder beim Spielen in unseligen vom Mistral aufgewirbelten Staubwolken, genug, um van Gogh zum Weinen zu bringen.“ 
Kerouac gehört zu den immer wiedergelesenen Lieblingsautoren des Kölner Lyrikers, Musikers und Malers Wolfgang Niedecken. „Wat für e’ Booch, dionysisch, unzensiert“, schrieb er Kerouacs Buch „Lonesome traveller“ einen rezensierenden Rocksong. Kerouac war aber nicht durchgängig so negativ gestimmt. Der Chorgesang in der Kirche Saint Sauveur in Aix-en-Provence und der Anblick alter Männer, die an diesem Sonntagmorgen mit ihren Baguettes vorbeigingen, machten ihn glücklich.
„Mit Tränen in den Augen hörte ich in der Kathedrale des Erlösers die Chorknaben eine prachtvolle alte Musik singen, während Engel herumzuschweben schienen.“
Als Johanna Schopenhauer, auch an einem Sonntag während des Hochamtes, die Kirche besuchte, fielen ihr, ein paar Jahre nach der Revolution, vor allem die vielen zerstörten Heiligen-Statuen auf.