Sonntag, 21. Mai 2023

Capitaine Blanc und Autor Rademacher in Bestform

Nein, es geht nicht um Boule - höchstens um Boule mit Eiern von Dinosauriern.

Capitaine Roger Blanc, den sich der Roman-Autor Cay Rademacher ausgedacht hat, darf nun zum zehnten Mal auf Verbrechersuche. Diesmal an Cézannes Berg, dem Montagne Sainte Victoire. Nicht unerwartet ist Blanc, um im Bild zu bleiben, wieder siegreich und das sogar in einem letztlichen Alleingang, der beinahe schief gegangen wäre. 


Das Buch liest sich so spannend und leicht, daß man manchmal die Recherche-Arbeit vergisst, die gerade auch hinter einem Kriminalroman stecken sollte und die es bei Rademacher auch tut. Von den Fossilien-Fundorte in der Nähe von Aix-en-Provence bis zu den Toten und Zerstörungen, die es gab, als der Staudamms von Malpasset gebrochen ist und sich eine 40 Meter hohe Wasserfront auf Fréjus zustürzte…alles ist nachzuprüfen.

Hält der Staudamm von Bimont? Der von Malpasset jedenfalls nicht. Hausgroße Trümmerteile auf dem Weg ins Tal und viele Tote, die bis ins Mittelmeer abgetrieben wurden.

Und natürlich der lebhafte Handel, den die Fossilienjäger aus den Hochschulen mit ihren Funden betreiben. Der berühmte Tyrannosaurus rex, ausgerechnet Tristan wurde er getauft, der sich im Berliner Naturkundemuseum befindet, gehört einer Privatperson – nur eine Leihgabe also. Das Auktionshaus Christie’s hat kürzlich einen ganzen T-Rex für fast 32 Millionen Dollar versteigert und die Kollegen von Sotheby’s nur deine Schädel für 6 Millionen.

Ohne ein Zwillingspaar wäre es schwer gewesen, die Handlungsstränge Staudamm-Gutachten und Dino-Ausgrabungen zu verknüpfen. Wird der Ingenieur ermordet, weil er mit seinem Zwillingsbruder-Paläontologen verwechselt wird? Der Blog, in dem Wanderwege abseits der gewöhnlichen Touren beschrieben werden, schickt den Blogger auf seine letzte Wanderung. Kaum jemand, der nicht verdächtig ist. Und was hat es mit mit dem alten Spielzeugauto, das dem Capitaine Blanc so ans Herz gewachsen ist?

Gut möglich, daß der Mörder auf diesem Bild zu sehen ist. Foto: La Provence.
 

Nur das wundert mich: Der Capitaine entspricht dem deutschen Polizeihauptkommissar und es ist schon eine Schande, dass Capitaine Blanc mittlerweile, trotz seiner zehn bravourös gelösten Fälle immer noch nicht befördert worden ist. Commandant (Erster Polizeihauptkommissar) oder Commissaire de Police (Polizeirat) sollte er inzwischen doch schon sein und damit die bei der Polizei durchlässige Grenze vom gehobenen in den höheren Dienst geschafft haben. Aber vielleicht haben da seine ehemalige Geliebte, die Untersuchungsrichterin und deren Immer-Noch-Mann aus dem Ministerium etwas dagegen?

Trösten kann sich Blanc mit seinem Kollegen Maigret. Der war und blieb Kommissar bis zur Rente.






Donnerstag, 23. März 2023

Ein Fontaine-Krimi für alle Jahreszeiten

Die Kriminalromane von Liliane Fontaine zu lesen sind wie in den Süden Frankreichs nachhause zu kommen. Man kennt die Richterin Mathilde, die auf dem feudalen Weingut lebt, ihre Haushälterin Odile und ihren Kommandant Rachid Bouraada, mit dem sie (jetzt endlich)aber erwartungsgemäß zusammen ist. Man kennt die Stadt, von der Arena über den Endpunkt der römischen Wasserleitung, die von Uzès nach Nîmes führte bis zum relativ neuen archäologischen Museum de la Romanité. Und leicht folgt man den Wegen der Opfer und Täter durch die Stadt und ihre Parks. 
 
 
Warum der drogensüchtige Mann erschossen wird, der gerade aus Chile angereist war, klärt sich langsam auf. Und nur die Ärzte sind nicht überrascht, daß Valerie Savigny stirbt, denn jahrelang hatte sie im Koma gelegen. Für die Richterin und ihren Kommandanten gehört das ebenso zum Fall wie das wertvolle Bild des Pointillisten Henri Edmond Cross. Viel mehr Hinweise seien an dieser Stelle nicht gegeben, um nichts zu verraten. 
Nicht ganz das gestohlene Bild, aber doch Zypressen aus Cagnes
Selbstportrait von Henri Edmond Cross
 
Wie immer ist der Leser in die Ermittlungen eingebunden und kann sich selbst testen, ob seine Kreativität mit dem Gespür der Untersuchungsrichterin in die gleiche Richtung läuft oder man selbst da nicht doch auf einem Irrweg ist – was Mathilde de Boncourt durchaus auch einmal passiert.

Wer aber sich nicht als Krimi-Leser outen möchten, könnte durchaus sagen, er habe sich bau- und kunstgeschichtlich weitergebildet, denn die Lektüre macht fit etwa über die Site Vauban, die gar nicht von Vauban erbaut wurde; sie macht auch fit für Signac, neben Seurat der wichtigste Maler des Pointillismus.

Fort Vauban um 1890. Heute Teil der Universität
 

Das Bild von Cross taucht in einer hochpreisigen  Galerie in Nîmes auf, deren Inhaberin von Anfang an das Gefühl hatte, das Bild müsse in einem der internationalen Diebstahlsregister zu finden sein. Wie nicht anders zu erwarten wird der Fall gelöst, spannend, schlüssig und etwas unerwartet. Aber wie vielleicht anders zu erwarten, wird es in Nîmes anfangen zu schneien. Jedenfalls wenn die Richterin ihrem nach einer Schusswunde wetterfühligem Oberschenkel vertraut. Mit dieser letzten Szene aus dem Buch wird nicht zuviel verraten. Es liest sich gut in allen Jahreszeiten.