Samstag, 19. Juni 2021

Heineke’s Fälschung à la Provence

Vauvenargues: Picassos Wirk- und Grabstätte

Mit Picasso und seinem Schloss Vauvenargues, Cézanne und seinem Berg und der Provence überhaupt hat sich Andreas Heineke gleich drei südfranzösische Zugpferde vor seinen Roman gespannt, der dadurch mit seiner pfiffig konstruierten Handlung, glaubwürdigem Lokalkolorit und gut gezeichneten Protagonisten ordentlich Fahrt aufnimmt. Da sind ein verliebter Kommissar und seine nicht nur in ihn verliebte Kollegin, da sind auch exzentrische Galeristen und unschuldig verurteilte Fälscher…viele Motive also für gleich mehrere Morde. Und auch die Aktualität, von den Anschlägen in Paris bis zum Brand im legendären Restaurant „Les deux Garçons“ in Aix vom November 2019, kommt nicht zu kurz. Bis heute ist 

Am Tag danach Bild aixcentric

übrigens nicht geklärt, warum die Videoüberwachung, die jahrelang bestens funktionierte, kurz vor der Bandstiftung (?) ihren Geist aufgab. Nicht ungewöhnlich, dass die Spuren, wenn man „La Provence“ glauben will, wieder mal nach Marseille führen.

Aber zurück zur Kunst, zur echten und gefälschten - auch das ist eine -, die beide eine entscheidende Rolle spielen im Buch. Das ist ein weites und schwieriges Feld, denn in der Juristendenke kann ein „falsches“ Bild „echt“ sein und auch 


Original oder Fälschung? Jedenfalls hat es jemand gemalt, der nicht mit Cézanne signiert hat.

die „Fälschung“ ein „Original“. Als Gauguin nach Arles kam, um Vincent van Gogh zu besuchen, zeigte der ihm die unsignierte Kopie eines Bildes von Jean François Millet. Auf die Frage, ob es ein Original sei, antwortete Vincent voller Überzeugung: „Natürlich, ich habe es ja selbst gemalt!“

Egal ob Jacqueline oder Dora, ob sitzend oder liegend, angezogen oder nackt, seine Frauen hat Picasso alle irgendwann mit einer Katze gemalt. Das Dora Maar-Bild wurde zuletzt für 95 Millionen Dollar an einen Politiker aus Georgien verkauft, was zeigt, daß Kunst gelegentlich auch was mit Geld, viel Geld, zu tun hat. Um den Zusammenhang geht es auch in „Fälschung à la Provence“. Aber die Spuren führen bei dem Thema auch in die Schweiz, genauer gesagt ins Genfer Zollfreilager, das die wohl größte Sammlung aller echten Picasso uns Cézanne enthält. Warum? Weil die Fälschungen alle entweder in Museen hängen. Oder nach China verkauft wurden, wo es inzwischen mehr echte Picasso gibt, als der ja überaus fleißige Maler je produziert hat.

Ein spannend und elegant geschriebener Kriminalroman (Emons, 12 €), den ich ungern aus der Hand gelegt habe. Erst  als meine Frau mich mit einer Bouillabaisse (mit Conger, wie es sich gehört) gelockt hat, ist mir dies gelungen. Zum Weiterlesen übrigens noch diese Empfehlung: Demeures de l'esprit.

PS. Irreführend und einfallslos, wie bei so vielen Südfrankreich-Krimis, mal wieder der Titel, den ich deshalb auch nicht abbilde: Ein Lavendelfeld. Toll! Da hat sich ja wirklich jemand Gedanken gemacht, wahrscheinlich sogar 15 Sekunden lang und ohne das Buch vorher wenigstens quer zu lesen. Da hätte es doch Picassos Schloss gegeben, ein Motiv aus Aix oder Lourmarin, eine Gemälde von Ralf Rainer Odenwald, dem Heinecke ja immerhin das Buch gewidmet hat, oder zur Not eines von Picasso oder Cézannes Kartenspieler.

Atelier von Ralf Rainer Odenwald: Reichlich Anregungen für ein gutes Cover

Freitag, 18. Juni 2021

Yvan Audouard: Alles andere als bierernst

Yvan Audouard.                     Bild LeMouching
Sein Geburtsort hätte überall sein können auf der Welt, in jeder französischen Kolonie oder in jeder Konfliktregion, in der französische Soldaten 1914 zum Einsatz kamen; sein Vater war beim Militär damals, die Mutter zog mit und so wurde es denn Saigon. Die bibliophile Mutter schuf den Gegenpol zu den Interessen des Vaters. Aufgewachsen in diesem Spagat, war vielleicht gerade das ausschlaggebend für Yvan Audouard's Berufswahl zum Journalisten und Schriftsteller. Dreißig Jahre lang arbeitete Audouard für die wöchentlich erscheinende satirische Zeitschrift „Le Canard Echaîné“.

Die Eltern, beide im Süden geboren, er in Avignon, sie in Marseille, hatten das Glück, bald wieder in das geliebte Südfrankreich zurückzukehren. Nach 1917 lebten sie in Marseille in der Rue de Spinelli, die im bürgerlichen Viertel Saint Mauront liegt.


Zu den gut verkauften Buch-Veröffentlichungen Audouards gehörten ab Mitte der 60er Jahre Kriminalromane, die aber überhaupt nichts mit den harten Geschichten des Jean-Claude Izzo aus der Mitte der 90er Jahre zu tun haben. Wo Izzo die korruptive Gemengelage zwischen Front National, Mafia, Politik und Polizei in den Mittelpunkt stellt, ist es bei Audouard der tugendhafte Polizist Antoine Le Vertueux, der die Tugend auch gleich in seinem Namen führt. Also auch das gab es seinerzeit noch in Marseille. Und rumgekommen ist der Kommissar auch, von Tahiti bis New York. 1969 erschien dann bei Desch eine deutsche Ausgabe.

Wo andere Verlage eine Série noir auf den Weg brachten, was es bei ihm, ganz im Sinne des Canard Enchaîné eine Série blonde. Den Verlag Gallimard, der seit 1945 fast dreitausend Bände in der Série noire veröffentlichte, wird das nicht besonders berührt haben. Und auch Marcel Duhamel, der die Reihe mehr als dreißig Jahre verlegerisch betreute, wird die Série blonde eher als Kompliment aufgefaßt haben.

Natürlich nahm er auch seinen Schriftstellerkollegen Marcel Pagnol, ebenfalls (fast) aus Marseille, auf den Arm. Wo dieser mit dem später verfilmten „La Gloire de mon Père“ den Ruhm seines Vaters beschrieb, war es für Audouard „Le Sabre de mon Père“, also der Säbel seines Vaters, in dem er seine Kindheit in Marseille und die Ausflüge in die Camargue beschrieb.

Wenn Sie sich eine Freude machen wollen, versuchen Sie mal sein Buch „La Provence – De village en village“ antiquarisch zu erwerben. Gute Exemplare des 2001 bei Ouest-France in Rennes erschienenen Bandes gibt es für um die zehn Euro. Vor allem die Aquarelle von Pierre Pellet werden Sie in Ihren letzten Urlaub zurück versetzen.