Samstag, 16. September 2017

Marseille: Pilgerrefugium in der Rue du Refuge

Wer heute in Marseille ankommt hat die Wahl zwischen einer kostenlosen Übernachtungsmöglichkeit oder einer, die gut eintausend Euro kosten kann. Jacky Halter ist Fotograf und lebt in der Rue du Refuge im Panier-Viertel, im Herzen Marseilles also, in einem der alten Häuser, die von der deutschen Wehrmacht nicht weggesprengt wurden. 


Die kostenlose Pilgersuppe des Jacky Halter...
Papst Johannes XXIII. hat ihn für eine wirklich einzigartige Initiative ausgezeichnet. Jeder Pilger auf dem Jakobsweg darf in seinem Haus übernachten - kostenlos - und bekommt eine spezielle Pilgermahlzeit serviert: Die Soupe à l’ail, eine ausgesprochen kräftige Knoblauchsuppe, von der man auch am nächsten Tag noch etwas hat - „Die reinigt den Magen“ - und hinterher die Plat des Pélerins, bestehend aus Ei, Speck und Kartoffeln. Dazu gibt es einen frischen Rosé oder manchmal auch ein Hoegarden-Weissbier, wenn etwas zuviel Knoblauch in der Suppe war.
Nur Bier hilft gegen den Knoblauch, keine Milch
Wem das zu rustkal ist, der kann direkt vor dem Haus im „Ossety“ essen, einem sehr einfachen und sehr guten russischen Restaurant, dem zu wünschen ist, daß es sich noch lange hält. Spezialität sind Tontöpfchen mit Lamm- oder Hühnerfleisch und allerhand frischem Gemüse; ebenso gut die gefüllten Pfannkuchen und dazu ein eiskaltes russisches Flaschenbier.

Wo bei Halter die kostenlose Pilgermahlzeit dazu gehört, ist dies bei Gérald Passédat nicht der Fall. In seinem sternebekrönten Restaurant „Le Petit Nice-Passédat“ stehen Fischgerichte im Vordergrund, von der Galinette und dem Chapon bis zu seinem berühmten Loup Lucie.


Nicht ganz kostenlos bei Passedat...Bild Wiki cc TouN

Wenn Sie einmal ausprobieren wollen, wie ein „Sterne-Pain-Bagnat“ schmeckt, so eine Art französischer kalter Hamburger, dann können Sie das im Restaurant des „MUCEM“ machen, dem 2013 eröffneten Museum der Mittelmeerkulturen, in dem der Koch ein weiteres Standbein hat. Immerhin das erste nationale Museum Frankreichs, das nicht in Paris errichtet wurde.

Sonntag, 10. September 2017

Saint-Césaire-de-Gauzignan: Die Domaine des Luces und einige Parallelen zum Château d’Yquem

Wenn ein Winzer die Holzfässer des Château d’Yquem kauft und seine Weine – und gerade auch die Roten, die es bei Yquem ja garnicht gibt – darin lagert, dann spricht das für seinen Ehrgeiz oder es ist nur ein Marketing-Gag. Michael Bourrassol und seine Frau Séverine (Facebook: https://www.facebook.com/severinebourrassol/) haben mit Marketing bisher sehr wenig am Hut, sind also ehrgeizig und haben das schon im ersten Jahr des Bestehens der Domaine des Luces mit hervorragenden Weinen untermauert.

Yquem ist eine französische Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 224.640 Euro. Wohl etwas mehr, vermute ich,  haben Michael und Sévrine in die Domaine investiert.Einen ziemlichen
Unterschied gibt es noch bei den Verkaufspreisen: 7 Euro kostet der derzeit teuerste Wein der Domaine des Luces, über 100.000 Euro wurden kürzlich für einen Yquem des Jahres 1787 gezahlt – für die Flasche, nur damit keine Zweifel aufkommen. Dafür hätte der amerikanische Käufer über 14.000 Flaschen bei Michael Bourrassol bekommen und damit ein Mehrfaches von dessen Produktion des ersten Jahres aufkaufen können.

Ganz billige Yquem hat übrigens Lidl vor einigen Jahren angeboten: Den 2011er für 349 Euro und den 1998er als halbe Flasche für 99 Euro. So preiswert ginge das heute nicht mehr.
Mich würde einmal interessieren, welche Ratschläge Sandrine Garbay, die Kellermeisterin von Yquem, die ihren Abschluß am renommierten Institut d’Oenologie de Bordeaux gemacht hat und ‚nebenbei‘ promovierte Biologin ist, den Beiden in Saint-Césaire geben würde. Eingeladen haben sie sie noch nicht.

Vielleicht würde sie auch sagen, daß es da garnicht mehr soviel zu verbessern gibt. Das wäre nicht nur für Michael Bourrassol ein Kompliment, sondern auch für seinen Oenologen Nicolas Berger, der auch die renommierte Domaine Saint-Firmin in Uzès berät. Immer am Donnerstag und Sonntag
fährt er die halbe Stunde raus nach Saint-Césaire. Derzeit ist man dabei die Produktion auf Bio umzustellen. Herbizide werden nicht mehr eingesetzt, statt dessen Rasen- und Mohnblumensamen ausgesät. Die Einzelheiten, auch zur Bodenbearbeitung, erzählt Ihnen Michael gerne.
Die Bourrassols haben ihren ersten Weine schöne Namen gegeben, deren Geschichten dazu man gut behält. Storytelling nennen das dann die Marketingstrategen, eine Kunst, die übrigens auch die Gestalter der Homepage von Iquem perfekt beherrschen; sie nennen das Anekdoten, in denen man etwa erfährt wie der japanische Kaiser plötzlich seine Vorliebe für die Süßweine aus Sauternes entdeckte. Wesentlich bodenständiger und familiärer geht das in Saint-Césaire zu. Daß die „Caprice de Lilou“ die Späße und Launen der kleinen Tochter Lilou wiedergeben, darauf hätte man noch kommen können. Nicht aber auf die Auflösung der „Balade d‘ amoureux“. Diese verliebten Spaziergänge machen die Eltern  der Winzer noch immer mindestens an fast jedem Wochenende. Nur hinter die Geschichte der
„Influence“, meines Lieblingsweines bin ich nicht gekommen. Wer hat hier wen beeinflußt?  Oder ist es der gute Einfluß, den die vier Rebsorten der Cuvée aufeinander haben? Syrah, Grenche, Petit verdot und Carignan sind perfekt aufeinander abgestimmt. Bei Lilou sind es übrigens Viognier und Roussane, eine Rebsorte, die vor allem im Rhônetal angebaut wird; deren Säure gibt dem eher pfirsischfruchtigen Viognier den richtigen Pfiff.

Für eine Weinprobe rufen Sie einfach an : 0033 611 39 44 84. Gegenüber der stillgelegten Kooperative geht’s die schmale Straße runter bis zum Ende und dann auf dem unbefestigten Weg noch ein paar Meter bis zum Weinkeller. Und am besten nehmen Sie auch gleich ein paar Kisten Wein mit, solange die Preise noch nicht auf Yquem-Niveau sind.