Samstag, 21. Oktober 2017

Ernst Moritz Arndt: Auswirkungen der französischen Revolution in Marseille

Ernst Moritz Arndt,1769 auf Rügen geboren und sein leblang auf der Seite der Freiheit kämpfender Abgeordneter, Hochschullehrer und politischer Schriftsteller, mußte nach dem Sieg Napoleons über Preußen ins Exil nach Schweden flüchten, weil er sich zu aktiv gegen die französische Besetzung engagiert hatte. 

Als Arndt zehn Jahre nach der Revolution im Rahmen einer Bildungsreise Marseille besuchte, war er den Freiheitsgedanken der Revolutionäre noch sehr nah. Und dennoch war er schockiert vom
Rathaus von Marseille: Französische Revolution und
die Zerstörungen der Wehrmacht überstanden
Zustand der Stadt.
Unter den sehenswerten Gebäuden waren lediglich das Rathaus und die Börse der Zerstörungswut entgangen.

„Von anderen öffentlichen Gebäuden und Werken läßt sich nun nichts mehr sagen. Die Kirchen sind entweiht und ihre Zierraten und Kunstwerke verschleppt, ja selbst die Gräber hat man aufgewühlt.“
Schiffe lägen „entmastet und entleert“ da und

„fast an allen Türen und Fensterläden liest man: à vendre und à louer. Wie sollen auch die Menschen bleiben, wenn ihnen alle Mittel zu leben abgeschnitten sind, wenn die Schiffahrt liegt und die Revolutionssense die ersten Häuser niedergemäht hat.“ 

Wer heute sich bewundernd über den Hafen äußere, bekomme nur zu hören:
„Vor der Revolution, oh vor der Revolution, da war Marseille noch etwas. Jetzt sind wir arm und haben über ein Drittel unserer Menschen verloren.“
Ernst Moritz Arndt Bild: Wiki cc
Ihren Namen immerhin hatte die Stadt behalten, obschon sie nach dem Willen der Revolutionsführer nur noch „Stadt ohne Namen“ heißen sollte. Denn Marseille war lange alles andere als revolutionäre Stadt, sie war Hafen- und Handelsstadt und wollte das auch bleiben, so sehr, daß die Stadtoberen sogar englische Truppen gegen die Revolution zu Hilfe riefen. Die allerdings landeten in Toulon und wurden aufgerieben, bevor sie Marseille erreichten.

Wer Arndts Reisebeschreibungen liest, der kann sich kaum vorstellen, daß seine weltanschaulichen Schriften ihn mal als Demokraten ausweisen, mal als antisemitischen Demagogen und mal als deutsch-nationalen Franzosenhasser.
„Wenn ich sage, ich hasse den französischen Leichtsinn, ich verschmähe die französische Zierlichkeit, mir mißfällt die französische Geschwätzigkeit und Flatterhaftigkeit, so spreche ich vielleicht einen Mangel aus, aber einen Mangel, der mir mit meinem ganzen Volke gemein ist.“  
Und das nur wenige Jahre nach einer begeistert beschriebenen Reise durch Frankreich, nach angenehmen Tagen in Marseille, dem „reizenden Erdfleck“, nach „frohen und elyseischen Tagen im Paradies Frankreichs“ und „den feinen Blumenmädchen“ auf dem Markt, die er alle Morgen eine halbes Stündchen beobachtete und sich „königlich dabei ergötzte“.