Irgendwie führen alle Wege, in dem Fall zwar nicht nach Rom,
sondern nach Barbegal und zu den beeindruckenden Ruinen eines wasserbetriebenen
römischen Mühlenkomplexes. Von Arles aus im
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Eine über 20 Kilometer lange Wasserleitung speiste neben den Mühlen auch Arles |
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Stadtteil Pont de Crau schräg links
abbiegen in die Route de Barbegal, von Fontvielle aus nehmen Sie die Route des
Moulins, die das Örtchen in exakt südlicher Richtung verlässt, und biegen nach
ein paar Kilometern in die Route de Acqueduc ab. Wenn Sie von Arles aus fahren
hat das den Vorteil, daß Sie am Schloss von Barbegal vorbeikommen, wo Sie nicht
nur stilvoll heiraten können, sondern wo man gerne auch einen kleinen Empfang
mit Ihren zweihundert engsten Freunden organisiert. In Zeiten von
Facebook-Freundschaften wird das Château aber wahrscheinlich viel zu klein
sein.
Château Barbegal im Zweiten Weltkrieg
Dieses Château war während des Zweiten Weltkrieges kurz, von 1943
bis zur Landung der Allierten an der Côte d’Azur, das Hauptquartier der 338sten
deutschen Infanterie-Division. Aufgabe dieser Truppen war der Schutz der
Mittelmeerküste von Sète über Montélimar und die Camargue bis kurz vor
Marseille, genau gesagt bis zum Cap de la Vièrge östlich von Carry-le-Rouet.
Hier befand sich zu jener Zeit eine zerfallende Kapelle, auf deren Türsturz man
heute noch die Jahreszahl 1753 lesen kann. Der vielbesuchte Ort mit einer
sitzenden stillenden Madonna Aussicht ist mittlerweile renoviert.
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Die Reste der Mühlen-Fundamente sehen eher unscheinbar aus
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Das Château hatte während der deutschen Besatzungszeit einen
Kommandanten, der, zumindest vom Namen her, bestens in diese feudale Umgebung passte:
René de l'Homme de Courbière hieß der Generalleutnant, der die Division am 10.
Januar 1944 von Josef Folttmann übernahm. Courbière war ein Enkel von Guillaume
René de l’Homme, Seigneur de Courbière, der einer alteingesessenen
protestantischen Adelsfamilie der Dauphiné entstammte, die im 17. Jahrhundert
nach Preußen ausgewandert war. Sein Großvater hatte es bis zum preußischen
Generalfeldmarschall gebracht und eine Reihe von damals den Offizieren
verbotene Duelle überlebt.
Noch im August 1943 hatten erstmals amerikanische
B-17-Bombergeschwader in Südfrankreich angegriffen, zunächst die Flughäfen von
Istres und Salon de Provence. Am 24. November wurde Bomben auf die Hafenanlagen
von Toulon geworfen und vor allem waren es Zivilisten, die umkamen. 450 toten
Franzosen standen 50 getötete deutsche Soldaten gegenüber. Ein paar Monate
später konnte von ernsthafter deutscher Verteidigung schon nicht mehr die Rede
sein. Die Resistance berichtete den Alliierten von Panzerattrappen aus Holz,
die um das Schloß von Barbegal herum aufgestellt waren, und die es letzten
Endes davor retteten, bombardiert zu werden. Als sich Courbière entschloß, mit
seiner Division abzuziehen ging es durch das Rhônetal nach Norden und dann über
Belfort ins Elsaß.
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Teilweise noch gut erhalten: Die Wasserleitung
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Ein industrieller römischer Mühlenkomplex
Von der Terrasse des Schlosses hat man bereits den Blick auf den
Hang mit der römischen Wasserleitung und den Ruinen der Mühlen. Wichtig ist der
Plural, denn dies ist ein ganz besonderer Ort. Obwohl wir normalerweise mit der
englische Tuchproduktion in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Beginn
der Industrialisierung verbinden, gab es hier bereits einen großen
Industriekomplex im 3. Jahrhundert. Die Römer hatten hier einen genialen industriellen
Mühlen-Komplex installiert. Insgesamt sechzehn Wasser-Mühlen waren in einer Doppelreihe
hintereinandergeschaltet.

Dem Entdecker der Anlage, Fernand Benoit, wurde oberhalb der
Mühlen eine Gedenktafel errichtet. Ende der 1930er Jahre fanden hier erstmals
archäologische Ausgrabungen und Untersuchungen statt. Wieder einmal bestätigt
sich an dieser Stelle: Man sieht nur, was man weiss. Denn die meisten, der
allerdings immer noch wenigen Besucher dieses mehr als zwanzig Kilometer langen
Doppel-Aquädukts gehen nur die letzten dreihundert Meter entlang der
Wasserleitung und vor bis zu dem ziemlich steil abfallenden scheinbaren Ende,
werfen noch einen Blick ins Tal und gehen wieder zurück zum Auto. Dabei wird es
hier erst interessant.
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Der Verlauf der Wasserleitung. Bild A. Chenet |
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Hier und unten die doppelte Anlage der Mühlen. Bild: Danke an Walter Kuhl.
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Die Rekonstruktion der Anlage durch Professor Cees Passchier von der Uni Mainz. Danke für das Bild!
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Vier Tonnen Getreide wurden täglich verarbeitet
Die Wasserleitung teilt sich nämlich an dieser Stelle in
eine, die in einem rechten Winkel nach Arles führt und in eine, die die Mühlen
antrieb. Diese hintereinandergeschalteten Mühlen aus dem zweiten oder dritten
Jahrhundert, so Professor Cees Passchier vom Institut für Geowissenschaften der
Universität Mainz, der mir auch die Schemazeichnung der Anlage zur Verfügung
stellte, hatten eine beachtliche Kapazität. Mehr als vier Tonnen Getreide
konnten hier jeden Tag verarbeitet werden. Was mit dem Mehl geschah, ist
unklar. Für die Versorgung von Arles alleine, wäre die Menge viel zu groß
gewesen. So wird vermutet, daß aus diesem Mehl auch Schiffszwieback für die
römischen Kriegsschiffe produziert wurden, die in Arles und Fos anlegten.
Vom Frühsommer bis zum Herbst stand die Anlage still. Dann
versiegten regelmäßig die beiden Quellen von Mollégès und Paradou, die die
Leitungen speisten. Dieses technologische Meisterwerk ist sicher einer der am meisten
unterschätzten Orte in der Provence.