Samstag, 5. Januar 2019

Cannes und Nizza: Das Negresco und andere Hotelpaläste

Lord Brougham: Ihm hat Cannes viel zu verdanken
Heute fahren viele Menschen nur deshalb nach Cannes, um Autos zu filmen, wobei man für einen gewöhnlichen Bugatti schon garnicht mehr das Handy zückt: Da sollte es dann schon ein Pagani Huayra oder ein DMC Aventador Roadster sein oder ein Octane oder ein Novitec - HIER im VIDEO.
  
Cannes, das "kleine englische Dorf, wie Lawrence Durrell den Ort bezeichnete, war Mitte des 19. Jahrhunderts "entdeckt" worden. In Croix-des-Gardes, dem ältesten Wohnviertel der Stadt, hatte der britische Schriftsteller und Rechtsanwalt Lord Brougham ein Urlaubsschloß gebaut, um seiner kränkelnden Tochter Eleonore eine sonnige und gesunde Umgebung bieten zu können.

Ein weiterer englischer Adeliger wurde kurz darauf der erste Immobilien-Spekulant an der Côte d'Azur. Sir Thomas Woolfield kam vier Jahre nach Brougham und kaufte für billiges Geld mehrere Hektar Land in der Umgegend, das parzelliert, bebaut und weiterverkauft wurde.

Dreißig Paläste hat er innerhalb von ein paar Jahren ans sonnenhungrige Publikum gebracht. Seine „Villa Viktoria“, roter Backstein im englischen Stil des 15. Jahrhunderts dominiert noch heute den Boulevard du Midi, westlich des alten Hafens. Zuletzt übergab er das Geschäft seinem Gärtner John Taylor, dessen Familie das Unternehmen bis heute fortführt. Die Büros finden sich an der Croisette.


Der Comic, der die Geschichte des Carlton erzählt, ist nicht mehr lieferbar.
Mit etwas Charme und einer guten Geschichte bekommen Sie noch ein Exemplar an der Rezeption.
 
Im alten Cannes, bevor Brougham das Örtchen zur Stadt machte, gab es die palmenbestandene Promenade ebensowenig wie die Hotel-Paläste „Majestic“, „Carlton“ oder „Martinez“ oder in Nizza das „Negresco“, die bis heute die Bilder der beiden Städte, nicht nur an den Uferpromenaden prägen. Ein liebenswertes, kleines und persönlich geführtes Hotel in Nizza finden Sie HIER. 

Wer in Cannes einmal ein einfaches und reelles Restaurant sucht, geht in die Rue de Meynadier ins "Bons Enfants" oder ins Farigoule und liest HIER vorher nach.


Das „Negresco“ trägt bis heute den Namen seines Gründers, den des Rumänen Henry Negresco. Bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr, arbeitete er in der Wirtschaft seines Vaters in Bukarest, ehe er als Kellner, später Koch in zahlreichen europäischen Küchen arbeitete, schließlich nach Monte Carlo kam und später in Nizza Küchenchef des „Casino Municipal“ wurde.

Den Traum vom eigenen Hotel verwirklichte er mit dem Geld des Automobilunternehmers Alexandre Darracq. Zur Eröffnung im Jahr 1912 waren sieben Regierungsoberhäupter anwesend und natürlich Gustave Eiffel, der die Stahlkonstruktion der Kuppel entworfen hatte und freimütig erzählte, daß die Brust einer seiner vielen Geliebten ihm da als Modell gedient hatte; nur von welcher, das wisse er nicht mehr ganz genau. Ganze zwei Jahre dauerte die ganze Herrlichkeit, das Hotel wurde im Weltkrieg zum Militärhospital umfunktioniert. Negresco war ruiniert und starb zwei Jahre nach Kriegsende in Paris.

Alles über die Côte und noch
mehr über Nizza finden Sie
in Jens Rostecks
Gebrauchsanweisung.
Wer das „Negresco“ an der Promenade des Anglais in Nizza oder das „Carlton“ an der Croisette in Cannes heute betritt, kann kaum mehr nachfühlen, wie es Zelda und F. Scott Fitzgerald ging, als sie erstmals das „Hôtel de Paris“ in Monte Carlo besuchten.
„Um uns herum wieselten Hotelangestellte, sie brachten uns Billetts und Genehmigungen, Stadtpläne, Landkarten, insgesamt fast so etwas wie eine ganz neue Identität.“
Auch wenn, wie schon beim Negreso, die Inneneinrichtung teurer war als der gesamte Bau, so werden die Personalkosten heute ganz anders kalkuliert; von fünf Bediensteten pro Gast ist bei weitem nicht mehr
Blick vom Splendid in Cannes auf den Yachthafen                                     Bild Hotel
die Rede. Wenn der Literaturkritiker Fritz Joachim Raddatz, der mal Cheflektor bei Rowohlt war und seine Bücher über Heine und Rilke in Nizza geschrieben hat, auf seinem Beobachtungsposten im Negresco saß, blieb für ihn nur
„ein Gipfel an zirkushaft dekorierter Geschmacklosigkeit, wobei die russischen Milliardäre ihre gleich-blonden, gleich-langbeinigen Mädchen bei AVIS offenbar gleich mitbestellen“.
Aber solange Menschen wie ein britischer Schlagersänger namens John
„ein eigenes Zimmer für seine 300 Brillen“
bestellt, müsse uns um den Fortbestand des Hauses nicht bange sein.
Auch die weiteren üblichen Verdächtigen aus den Bereichen Kino und Musik haben hier genächtigt: Beatles, Mick Jagger und die Garbo -
nur um die Spanne anzudeuten.