Freitag, 1. Mai 2020

Collioure: Immer noch Post für den toten Dichter Antonio Machado

Das Grab Antonio Machados mit dem Briefkasten hinten rechts
und der republikanischen Flagge. Bild Marc Meurrens Wiki cc.
Ein Rätsel bleibt weiter ungelöst. Auf dem alten Friedhof von Collioure befindet sich das Grab des spanischen Lyrikers Antonio Machado, der kurz vor dem Ende des spanischen Bürgerkrieges gemeinsam mit seiner Mutter über die verschneiten Pyrenäen nach Frankreich geflohen war. Kurz darauf und nur drei Tage vor dem Tod seiner Mutter starb er in aller Einsamkeit, die auch das zentrale Thema seines Werkes war. Sein Erstlingswerk aus dem Jahr 1903 war bereits mit dem Titel Soledades, Einsamkeiten, überschrieben. Machado schrieb reduzierte Gedichte, etwa über das Spiel der Kinder auf dem Dorfplatz:

„Die Kinder sangen harmlose Lieder
von einem vorbeiziehenden Etwas,
das niemals am Ziel ist.
Wirr die Geschichte,
klar nur das Lied.“


„Nach der Wahrheit gibt es nichts Schöneres als die Phantasie“, schrieb er einma. Im katalanischen Bewußtsein ist er als Dichter, Philosoph und Lehrer verwurzelt. In der viele Jahre später, 1970 erst, gehaltenen Totenrede von Ambrosi Carrion, hier der ganze Text, zitiert dieser die letzten Worte, die Machado seinem Lehrer Francisco Giner de los Rios mit auf den Weg gab: „Und zu einem anderen, reineren Licht brach der Bruder der Morgendämmerung auf.“

Auf dem Grab, wie zufällig abgestellt, aber fest installiert befindet sich ein Briefkasten, in den immer noch Post seiner zahlreichen Verehrer hineingeworfen wird. Was es damit auf sich hat und ob die Post vielleicht sogar von höherer Stelle beantwortet wird, das können selbst die Dauergäste des Friedhofs nicht beantworten. Das Grab Machados schmückt auch heute noch eine verschlissene, wie achtlos über den Grabstein gelegte, aber alle paar Jahre erneuerte Fahne der spanischen Republik.

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