1967 noch ein völlig zerfallenes und verlassenes Dorf. Bilder von Rainer Kanzleiter. |
Wenn Sie mal so richtig cevenolisch wohnen möchten können Sie auf gut Glück nach Bardou fahren. Besser auf alle Fälle, vorher bei Elizabeth Nolan anrufen (0033.467.97.72.43 oder 0033.6.83.13.87.14), denn meist hat sie gar keinen Platz mehr. Der Hameau de Bardou gehört zu Mons-la-Trivalle, das wiederum zu Olargues. Ohne Navi rechnen Sie am besten mal zwei Stunden, mit Suchhilfe fahren Sie einfach hierher: 43°35‘40.76“N und 2°56‘27.77“O.
Cevennenwinter. Schnee gehört dazu. Bild Friedl.
Dann ein paar Schritte und Sie stehen in 577 Metern Höhe mitten auf dem Hauptplatz von Bardou. Der heisst auch deshalb so, weil es bei gerade mal dreizehn Häusern keinen weiteren gibt. Mit Google Earth von unterwegs schon einen ersten Eindruck gewinnen zu wollen, ist vergebliche Mühe. Die Bilder der sogenannten Straße enden an einem Parkplatz außerhalb des Dorfes.
1965 haben auch hier Klaus Erhardt und seiner amerikanische Frau Jean gestanden. Sie sahen ein paar Mauerreste, Brombeerbüsche, die durch die Fenster nach außen wuchsen, zerfallene Dächer und Ginster auf den wenigen freien Flächen. Sie verliebten sich in den Ort und wollten ihn kaufen. Mehrere Erbengemeinschaften und Einzelpersonen waren die Eigentümer, denen die Ruinen plötzlich mehr Wert zu sein schienen und die dafür sorgten, daß die Verhandlungen sich rund drei Jahre hinzogen. Aber eines Tages waren die Erhardts Eigentümer eines ganzen Dorfes samt einiger kleiner steiniger Felder und den umliegenden dreihundert Hektar Ödland. Über den damals gezahlten Betrag von dreißigtausend Euro würde man heute eher lächeln.Authentischer Wiederaufbau aus alten Baumaterialien |
Was, Du warst noch nie in Bardou, wurde ich vor vielen Jahren von unserem Pfarrer gefragt, der immer noch aussieht, wie man sich einen Alt-68er so vorstellt, nur daß er inzwischen tatsächlich alt ist. Er sprach in einem Tonfall, als hätte ich behauptet, Maria Kleophae, Maria Salome und Maria aus Magdala seinen mit ihrer Dienerin Sara-la-Kâli in Saint Tropez und nicht in Les Saintes Maries an Land gegangen. 1968, das sind für ihn natürlich die Pariser Studentenunruhen im Mai.
Wenn sie nicht damals soviel Arbeit mit dem Wiederaufbau des Dorfes gehabt hätten, wären Jean und Klaus Erhardt sicher auch in Paris zu finden gewesen. So aber ging die Arbeit vor. „Es war ein beglückendes Erlebnis für uns Stein für Stein auszugraben, das ganze Dorf war ein Gesamtkunstwerk, das nach und nach von uns entdeckt wurde. Unsere Euphorie verstärkte sich von Monat zu Monat“ schrieb Erhardt später in einem Buch, das er mit Werner Friedl zusammen für den Anabas-Verlag gemacht hat. Eine Euphorie, die darüber hinwegsah, daß es weder Strom, noch Wasser oder Toiletten gab. Immerhin eine Quelle gab es im Dorf, die aber in besonders trockenen Jahren versiegte. „Dann mußten wir etwa einen Kilometer über den Col de Grousset bis zum Ruisseau de la Roque laufen“, um Wasser herbei zu schaffen.
Normalerweise wäre das ja über Pumpen gut zu regeln gewesen, doch es dauerte bis zum Jahr 1994, bis nach einem ermüdenden Kampf gegen die französische Verwaltung endlich eine Stromleitung gelegt war. Schon früh kamen erste Besucher, darunter, in noch stromloser Zeit Ursula Merz, die dreißig Jahre später, da waren Klaus Erhardt und seine Frau schon gestorben, wieder hinfuhr und in der ZEIT eine Reportage über die Reise in diese Vergangenheit schrieb. „Klaus Erhardt ähnelte in meinen Augen einem preußischen Junker; sehr groß, sehr blond, sehr aufrecht. Jean glich in ihrer Anmut ein wenig Meryl Streep. Sie trug weite, bunte Röcke und große Wolltücher um die Schultern.“ Das Paar verkörperte für Merz einen Mix aus romantischer Zivilisationsabkehr und hartem Pioniergeist.
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