Freitag, 20. Mai 2022

Barbegal: Die römische Mühlen

Irgendwie führen alle Wege, in dem Fall zwar nicht nach Rom, sondern nach Barbegal und zu den beeindruckenden Ruinen eines wasserbetriebenen römischen Mühlenkomplexes. Von Arles aus im

Eine über 20 Kilometer lange Wasserleitung speiste neben den Mühlen auch Arles

Stadtteil Pont de Crau schräg links abbiegen in die Route de Barbegal, von Fontvielle aus nehmen Sie die Route des Moulins, die das Örtchen in exakt südlicher Richtung verlässt, und biegen nach ein paar Kilometern in die Route de Acqueduc ab. Wenn Sie von Arles aus fahren hat das den Vorteil, daß Sie am Schloss von Barbegal vorbeikommen, wo Sie nicht nur stilvoll heiraten können, sondern wo man gerne auch einen kleinen Empfang mit Ihren zweihundert engsten Freunden organisiert. In Zeiten von Facebook-Freundschaften wird das Château aber wahrscheinlich viel zu klein sein.

Château Barbegal im Zweiten Weltkrieg

Dieses Château war während des Zweiten Weltkrieges kurz, von 1943 bis zur Landung der Allierten an der Côte d’Azur, das Hauptquartier der 338sten deutschen Infanterie-Division. Aufgabe dieser Truppen war der Schutz der Mittelmeerküste von Sète über Montélimar und die Camargue bis kurz vor Marseille, genau gesagt bis zum Cap de la Vièrge östlich von Carry-le-Rouet. Hier befand sich zu jener Zeit eine zerfallende Kapelle, auf deren Türsturz man heute noch die Jahreszahl 1753 lesen kann. Der vielbesuchte Ort mit einer sitzenden stillenden Madonna Aussicht ist mittlerweile renoviert.

Die Reste der Mühlen-Fundamente sehen eher unscheinbar aus

Das Château hatte während der deutschen Besatzungszeit einen Kommandanten, der, zumindest vom Namen her, bestens in diese feudale Umgebung passte: René de l'Homme de Courbière hieß der Generalleutnant, der die Division am 10. Januar 1944 von Josef Folttmann übernahm. Courbière war ein Enkel von Guillaume René de l’Homme, Seigneur de Courbière, der einer alteingesessenen protestantischen Adelsfamilie der Dauphiné entstammte, die im 17. Jahrhundert nach Preußen ausgewandert war. Sein Großvater hatte es bis zum preußischen Generalfeldmarschall gebracht und eine Reihe von damals den Offizieren verbotene Duelle überlebt.

Noch im August 1943 hatten erstmals amerikanische B-17-Bombergeschwader in Südfrankreich angegriffen, zunächst die Flughäfen von Istres und Salon de Provence. Am 24. November wurde Bomben auf die Hafenanlagen von Toulon geworfen und vor allem waren es Zivilisten, die umkamen. 450 toten Franzosen standen 50 getötete deutsche Soldaten gegenüber. Ein paar Monate später konnte von ernsthafter deutscher Verteidigung schon nicht mehr die Rede sein. Die Resistance berichtete den Alliierten von Panzerattrappen aus Holz, die um das Schloß von Barbegal herum aufgestellt waren, und die es letzten Endes davor retteten, bombardiert zu werden. Als sich Courbière entschloß, mit seiner Division abzuziehen ging es durch das Rhônetal nach Norden und dann über Belfort ins Elsaß.


Teilweise noch gut erhalten: Die Wasserleitung

Ein industrieller römischer Mühlenkomplex

Von der Terrasse des Schlosses hat man bereits den Blick auf den Hang mit der römischen Wasserleitung und den Ruinen der Mühlen. Wichtig ist der Plural, denn dies ist ein ganz besonderer Ort. Obwohl wir normalerweise mit der englische Tuchproduktion in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Beginn der Industrialisierung verbinden, gab es hier bereits einen großen Industriekomplex im 3. Jahrhundert. Die Römer hatten hier einen genialen industriellen Mühlen-Komplex installiert. Insgesamt sechzehn Wasser-Mühlen waren in einer Doppelreihe hintereinandergeschaltet.

Dem Entdecker der Anlage, Fernand Benoit, wurde oberhalb der Mühlen eine Gedenktafel errichtet. Ende der 1930er Jahre fanden hier erstmals archäologische Ausgrabungen und Untersuchungen statt. Wieder einmal bestätigt sich an dieser Stelle: Man sieht nur, was man weiss. Denn die meisten, der allerdings immer noch wenigen Besucher dieses mehr als zwanzig Kilometer langen Doppel-Aquädukts gehen nur die letzten dreihundert Meter entlang der Wasserleitung und vor bis zu dem ziemlich steil abfallenden scheinbaren Ende, werfen noch einen Blick ins Tal und gehen wieder zurück zum Auto. Dabei wird es hier erst interessant.

Der Verlauf der Wasserleitung. Bild A. Chenet

Der berühmte "Knick". Zahlreiche weitere Bilder von Walter Kuhl finden Sie hier.

Hier und unten die doppelte Anlage der Mühlen. Bild: Danke an Walter Kuhl.

Die Rekonstruktion der Anlage durch Professor Cees Passchier von der Uni Mainz. Danke für das Bild!


 

Vier Tonnen Getreide wurden täglich verarbeitet

Die Wasserleitung teilt sich nämlich an dieser Stelle in eine, die in einem rechten Winkel nach Arles führt und in eine, die die Mühlen antrieb. Diese hintereinandergeschalteten Mühlen aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert, so Professor Cees Passchier vom Institut für Geowissenschaften der Universität Mainz, der mir auch die Schemazeichnung der Anlage zur Verfügung stellte, hatten eine beachtliche Kapazität. Mehr als vier Tonnen Getreide konnten hier jeden Tag verarbeitet werden. Was mit dem Mehl geschah, ist unklar. Für die Versorgung von Arles alleine, wäre die Menge viel zu groß gewesen. So wird vermutet, daß aus diesem Mehl auch Schiffszwieback für die römischen Kriegsschiffe produziert wurden, die in Arles und Fos anlegten.

Vom Frühsommer bis zum Herbst stand die Anlage still. Dann versiegten regelmäßig die beiden Quellen von Mollégès und Paradou, die die Leitungen speisten. Dieses technologische Meisterwerk ist sicher einer der am meisten unterschätzten Orte in der Provence.

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