Samstag, 2. Juni 2018

Les Baux: Rummelplatz ohne Parkplatz

Wer's mag soll hinfahren. Ein sommerlicher Rummelplatz mit Parkplatznot und Geschiebe durch die engen Gassen. Nach Les Baux fährt man im Winter, wenn Sie also nicht gleich angerempelt werden, wenn Sie für ein paar Sekunden die Fassaden der Renaissance-Palais, etwa die des Hotel de Manville oder die des Hotel de Porcelets, betrachten wollen.

Vorgemacht hat uns das Kurt Tucholsky, der Anfang Dezember 1924 hier war und seinen Beitrag „Tote Stadt und lebende Steine“ als Paul Panter für die Vossischen Zeitung schrieb. Von Paradou aus, nordöstlich von Arles gelegen, war er eine Stunde in die Alpilles - „die Älpchen“- gewandert, kam

„durch ein stilles, weltverlorenes Tal mit wenigen Häusern. Der Blick geht aufwärts und trifft auf ein Wunder. Hier liegt, im Stein, eine tote Stadt. Das ist Les Baux.“
Viertausend Menschen lebten hier bis ins 17. Jahrhundert um die als uneinnehmbar geltende Festung, bis Richelieu sie belagern und
Les Baux-de-Provence von Westen gesehen.                             Bild Wiki cc
schleifen ließ. Heute hat Les Baux-de-Provence gerade mal vierhundert Einwohner, dafür oft aber mehr als viertausend Tagesbesucher. Auch Tucholsky fiel auf:
„Es leben Menschen da. ‚Wir sind sechzig’, sagt ein Mann, ‚sechzig - aber wir nehmen Jahr für Jahr ab.’ Nein hier ist nichts los.“
Nur ein alter Schäfer trieb seine Herde durch das fast verlassene und weitgehend zerfallene Dörfchen.
Kurt Tucholsky begegnete noch den Schafen auf
der Hauptstraße von Les Baux
Fünfzig Jahre später charakterisierte Hermann Schreiber die Felsenfeste als ein „Monster-Capri, das nur dafür da zu sein scheint, möglichst viele Touristen an möglichst viele Läden, Boutiquen, Ateliers und Stände heranzubringen“. Und weiter in Rage:
„Auf den Stufen der ehrwürdigen Eglise Saint Vicent drängt sich der gutsituierte Pöbel so, wie man in Grau-du-Roi und La Grande Motte aus dem Meer stieg, nämlich in Badeanzügen. Ein paar verschwitzte Germanen in Shorts machen das Bild nicht besser."
 
Ob den Herren von Baou oder de Balcio, wie sie ursprünglich hießen, die Lage des Ortes zu Kopfe gestiegen war, mit einer Mischung aus Anmaßung und Sinn für Storytelling führten sie ihren Stamm auf Balthasar zurück, einen der Heiligen Drei Könige. Auf dem Grabmal Raymonds des Baux findet sich die Inschrift: „Der ruhmreichen Familie Les Baux, von der berichtet wird, sie habe ihren Anfang bei den alten Königen Armeniens genommen, welchen sich, von einem Stern geleitet, der Erlöser der Welt offenbaret hat.“ So fand auch der Stern von Bethlehem ins Wappen.
 

Balthasar und der
Stern von Bethlehem
Ebenso pathetisch wie historisch falsch richtete Mistral seine Verse an ein „Geschlecht von Adlern - niemals untertan“ (Raco d‘eigloun, jamai vassalo). Denn immer wieder ist Les Baux zerstört worden oder der Adler abgestürzt, um im Bild des Dichters zu bleiben. Von Ludwig XIII., weil sich die Herren von Baux dem Aufstand seines Bruders Gaston d‘Orleans gegen Richelieu angeschlossen hatten. Oder auch rund einhundert Jahre zuvor, als man wieder einmal auf der falschen Seite stand, diesmal auf der der Reformation.

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