Samstag, 9. Februar 2019

Aix: Eine verhängnisvolle Affaire und ein Mordversuch

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Cézanne plötzlich der Senkrechtstarter auf dem Kunstmarkt. Indirekt ausschlaggebend war posthum Zola, dessen Gemäldesammlung mit vielen Bildern Cézannes 1903 versteigert wurde. Die Geschwister Leo und Gertrude Stein gehörten zu den ersten Sammlern und beschrieben den Wechsel:
„1905 hatten die Leute vor seinen Bildern hysterische Lachanfälle bekommen. 1906 verhielten sie sich respektvoll. 1907 waren sie ehrfürchtig.“
Karr
Vor lauter Angst, daß es sich bei den nun auch steigenden Preisen um eine kurzfristige Modeerscheinung handeln würde, verkaufte Cézannes Sohn 1907 fast zweihundert Bilder seines Vaters für gerade mal gut einhunderttausend Francs. Ein paar dieser Cézannes, Dauerleihgaben der Pariser Staatlichen Museumsverwaltung, sind heute im Musée Granat zu finden.

Aix war immer schon eine Stadt der Gegensätze. Wer sich morgens auf den Spuren von Cézanne bewegt, kann sich mittags quadratisch und praktisch in der Fondation Vasarély umtun. Der Schriftsteller Marcel Pobé stellte dem maßvollen Moralisten Vauvenargues den maßlosen Revolutionsredner Mirabeau gegenüber und dem geistreichen Abbé Bremond die reizreiche Louise Colet.
Colet
An die Gedichte der reizenden Louise, einer Professorengattin und begeisterten Liebhaberin von Philosophen und Schriftstellern, erinnert man sich heute nicht mehr wegen der Auszeichnungen, die sie von der Académie Française erhielt; eher wegen der verkaufsfördernden Skandälchen, die die Lyrikerin ganz gezielt und öffentlichkeitswirksam einsetzte.

Manch heutiger Autorin hat sie so gezeigt, wie man es macht. Auf dem Entwurf zur Grabinschrift, die Maxime du Camps formulierte, hieß es dann auch sehr ehrlich, aber viele auslassend:

„Hier ruht jene,
die Victor Cousin kompromittierte,
Alfred de Musset lächerlich machte,
Gustave Flaubert verächtlich behandelte und
Alphonse Karr umzubringen versuchte.“

Die Hintergründe des Vierzeilers sind schnell erzählt. Nach einer Liebesbeziehung zum Philosophen Victor Cousin wurde Louise Colet schwanger und der Journalist und Satiriker Alphonse Karr spottete in der Zeitung, dies sei wohl die Folge einer „piqûre de cousin“ - eines Mückenstichs von Cousin.

Die Dame ist natürlich nicht Louise Colet auf Cézannes Bild "Nachmittag in Neapel,
aber so ähnlich wird sich das in der Phantasie von Karr abgespielt haben.
Louise stach mit einem Messer auf Karr ein, erfolgreich, doch zum Glück nicht so ganz. Karr jedenfalls wurde schnell wieder gesund und begleitete ihre zahlreichen Liebschaften auch weiterhin. Allerdings wird er sich ab und zu über die Narbe gestrichen haben, die ihn darin erinnerte, sich mit schriftlichen Äußerungen zurück zu halten.



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