Samstag, 19. Oktober 2019

Mit Süskind und Parfum nach Grasse

Ursprünglich eine Stadt der Gerber, wurde die Basis für die Parfumherstellung im 16. Jahrhundert gelegt, als parfümiertes Leder zur Mode wurde. Patrick Süskinds „Parfum“ kulminiert hier in Grasse, der „unumstrittenen Produktions- und Handelsmetropole für Duftstoffe, Parfumeriewaren, Seifen und Öle“.

Grenouille in Baldinis Werkstatt                 Bild aufgenommen im Filmmuseum Lyon von ΛΦΠ
 
Im Musée International de la Pafumerie genauer gesagt gewinnt man einen guten Überblick und liest mit dem neuen Wissen Süskinds Roman mit ganz neuer Nase. Die Enfleurage, die Gewinnung des Öls aus besonders zarten Blüten, oder die Destillierung nichtpflanzlicher Stoffe werden im Museum anschaulich präsentiert; Menschenhaut ist allerdings nicht dabei.
Alle haben hier irgendwie mit Parfum zu tun. Ein paar Schritte entfernt befindet sich das Haus des Parfumfabrikanten Maubert, einem Cousin des Hofmalers Jean-Honoré Fragonard, der das nur geworden war, weil er aus der Familie eines damals nicht besonders erfolgreichen Parfumherstellers stammte.
 
Der geniale Portraitmaler hatte zudem das Pech, daß ihn die Französische Revolution viele seiner adeligen Auftraggeber beraubte. Im heute nach ihm benannten Musée Fragonard hängen zwar noch einige seiner Originale, doch die berühmtesten Bilder gibt es hier nur in Kopien von Labrelie. Es geht um eine Serie damals als erotisch eingestufter Bilder, die er um 1770 für Madame Du Barry, die Mätresse Ludwigs XV. gemalt hatte; heute würde man die Serie aus „Liebesbrief“ und „Heimlichem Treffen“ jederzeit im sonntäglichen Kinderfernsehen zeigen können, wenn man wollte, daß die lieben Kleinen gelangweilt zu einem anderen Sender zappen.
Wertvolle Lizenzen hinter imposanten Eingangstüren                     Bild  Etienne Valois
Die Originale sind nicht mehr auf dem Markt und können in der Henry Clay Frick Collection in New York angesehen werden. Der hatte sie aus dem Büro des Londoner Bankiers J. Pierpont Morgan gekauft.

Klaus und Erika Mann - in ihrem "Buch von der Riviera" - finden die Stadt Grasse „schön und alt“ und fast nur ohne Auto zu besichtigen. „Beruhigend zu wissen, daß H. G. Wells, der einen Teil des Jahres in Grasse lebt, diese Wohlgerüche und zudem die gesunde Luft so mühelos zur Verfügung hat.“ Der englische Autor Wells, der aus seinem Roman „Die Zeitmaschine“ beträchtliche Honorare bezog, hatte sich die Villa „Lou“ Pidou erbauen lassen. Acht Winter verbrachte er mit seiner Freundin Odette Keun hier in den Bergen.

Auf dem Weg ins Zentrum balgen sich die Großflächenwerbungen von Molinard in Lavendelblau und Fragonard in lichtem Ocker um die Besucher, ein Kampf, der unentschieden endet. Den Besuch einer Parfumfabrik empfehlen schon die Manns; was sich auch heute noch lohnt, obwohl deren Anzahl sich immer weiter reduziert. In der Produktion allerdings steht oft schon nicht mehr das Endprodukt Parfum im Mittelpunkt, sondern die Erzeugung von Grundstoffen, die anderswo viel günstiger weiterverarbeitet werden. Und natürlich hat man sich auf die Suche nach neuen Geschäftsfeldern gemacht. Die Entwicklung von Geschmacksstoffen für Lebensmittel gewinnt weiter an Bedeutung, wobei aber immer wieder betont wird, daß die französischen Produkte solche Zusätze natürlich nicht nötig hätten.


Grasse: Eine Stadt, für die man das Auto nicht braucht                                Bild Ivan Matthieu

Auch der belgische Nobelpreisträger Maurice Maeterlinck verbrachte einige Jahre in Grasse. „Eine Art alte, kleine provenzalische Burg inmitten der herrlichsten Landschaft der Welt, im Land der Blumen, Berge und azurblauen Buchten“. Kaum hatten ihm die Zahlungen des Nobel-Komitees die Mittel gegeben , zog er allerdings von Grasse nach Nizza.

Photos: Merci à Ivan Matthieu, LFP et Etienne Valois.

_____________________________________________________________________________

Viel mehr zu Grasse und dem Midi in meinem Buch "Durch den Süden Frankreichs" (700 Seiten, über 1.000 Bilder), das ich gerne signiert und portofrei zusende.

So bewertet die FAZ: Eine „profunde Kulturgeschichte, glänzend formuliert, prachtvoll bebildert und vom Verlag wunderschön ausgestattet…die vielleicht fundierteste Darstellung zu diesem Thema, ganz gewiss ist es die am besten geschriebene“.

Professor Rainer Moritz, Leiter des Hamburger Literaturhauses, lobt im MDR die „hochinteressante Mischung aus Literatur, Kunst und Kulinarik“, und Martin-Maria Schwarz im HR „eine akribische Neuerkundung“. Zusammenfassend die Badische Zeitung: „Ein reiseliterarisches Meisterwerk“ und der NDR: „Ein ganz außergewöhnliches Buch!“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich auf Ihre Anregungen. mh