Die Cover-Designs wie aus einer Hand: Frankreich-Krimis haben
irgendwie blau zu sein. Blau symbolisiert Wasser und Horizont, Tiefe
und Weite. Die bei Frauen und Männern weltweit beliebteste Farbe soll, so sagen die Farbpsychologen,
für Zuverlässigkeit und Empathie stehen. Doch Covermacher können doch
auch so kreativ sein wie Chipp Kidd oder Maurizio Ceccato (siehe www.ifixweb.it/design/ ) und trotzdem die Wiedererkennbarkeit einer Reihe garantieren. Oder wieviel Freiheit ist da noch? |
Jules Besson‘s Hausboot-Kommissar Keller und seine Morde im Burgund (Piper 15 €)
Lässt in Franken und Frankreich ermitteln... |
Jan Beinßen, Jahrgang 1965, weiß als ehemaliger Redakteur der „Deister- und Weserzeitung“ und der „Abendzeitung“ wie man schreibt und kann als Tageszeitungsjournalist auch schnell schreiben. Inzwischen ist er im Hauptberuf stellvertretender Pressesprecher des Nürnberger Flughafen, den es 2020 coronabedingt arg gebeutelt hat. Die Fluggastzahlen sind um 75 Prozent auf den Stand von 1985 gesunken. Beinßen schreibt eine erfolgreiche Frankenkrimireihe mit dem Hobbydetektiv Paul Flemming, und als Jean Jacques Laurent eine Reihe über „Elsässer Erbschaften“. Fast vierzig Buchtitel sind auf seiner Homepage verzeichnet.
Und daneben schickt er als Jules Besson noch einen
pensionierten deutschen Kommissar per Hausboot von Carcassonne nach Dijon. Das Buch ist, für mich jedenfalls, etwas zu wenig "französisch", auch wenn immer wieder einmal eine regionale Spezialität
auf dem Markt eingekauft wird. Statt in Frankreich könnte die Geschichte auch in Franken spielen, trotz des Mordes an der Erbin einer
Senf-Dynastie aus Dijon. Der Krimi mit seinem nicht ganz unerwarteten Mörder ist eine leichte Urlaubslektüre. An die sympathische Ausstrahlung des Autorenfotos mit seinem Savoir-Vivre reicht er allerdings nicht ganz heran. Interessant zu wissen wäre, wo die Begleiter der Dame im Hintergrund abgeblieben sind. Oder ist sie schon - ganz allein? -beim dritten Glas Rotwein?
Liliane Fontaine’s Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt und ihr Ritual des Todes (Piper 10 €)
Läßt und in den Midi eintauchen |
Wie man elegant und intelligent in die Atmosphäre des Midi eintaucht, zelebriert Liliane Fontaine in ihrem neuen Buch, in dem die Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt eine Serie von Todesfällen in einer Eliteschule nahe Nîmes aufklärt. Quasi nebenbei gibt es viel Kulturgeschichte nebst einer Einführung in die Courses camarguaises samt Abrivado und Bandido, das französische Eliteschulwesen und über die beiden Damen, die das Benediktinerkloster samt Fort von Villeneuve kauften und darin einen beeindruckenden italienischen Garten anlegten. Von hier hat man einen Panoramablick über das Palais des Papes in Avignon bis hin zum Mont Ventoux und den Dentelles de Montmirail (S. 152). Die Karte auf der Homepage der Autorin lässt Sie bestens eine Rundfahrt zu den Orten des Geschehens planen. Wie sehr Fontaine mit dem Midi verbandelt ist, merkt man alle paar Seiten. Zum Beispiel auch, wenn Martin, der deutsche Freund der Richterin seinen Blog am Vorbild Hilke Maunder ( https://meinfrankreich.com/ ) orientiert. So gut zu werden, wird er allerdings nicht schaffen. Ein Krimi zum Kaufen, Lesen und Nichtwiederaufhören.
Liliane Skalecki lebt immer wieder längere Zeitnördlich von
Nîmes am Fuß der Cevennen und schreibt unter ihrem Geburtsnamen Liliane
Fontaine ihre Südfrankreich Krimis. Den Hauptwohnsitz hat sie in Bremen, von wo
aus sie unter dem Pseudonym Lili Andersen eine Sterne-Köchin im Krabben-Milieu
ermitteln lässt. Was sich mir nicht erschließt: Warum der 100 Seiten
kürzere Roman von Besson bei fast gleicher Ausstattung um 50 Prozent teurer
ist, als der ebenso bei Piper erschienene von Fontaine? Die Klappenbroschur erklärt das nur zum geringsten Teil.
Remy Eyssen‘s Rechtsmediziner Leon Ritter und sein verhängnisvolles Lavandou (Ullstein 11 €)
Fast selbst ein Rechtsmediziner |
Auch Remy Eyssen lebt den Süden. Sylvia Lukassen hat für ihrem Blog „Das ewige Blau“ ein informatives Gespräch mit Eyssen geführt ( https://das-ewige-blau.de/mit-remy-eyssen-in-die-dunkle-provence/ ) :„Jede Flasche Wein, die ich erwähne, gibt es da auch irgendwo“.
Auch die Wahl der Locations ist kein Zufall, sie sind
wiederzuerkennen, denn Eyssen selbst hatte das Gück, in Lavandou ein kleines
Haus zu erben. Und sein Protagonisten-Paar, den Rechtsmediziner Ritter und die
Kriminalbeamtin Morell, hat Eyssen sich in München kopiert, wo ein Leiter der
Mordkommission eine Rechtsmedizinerin geheiratet hatte. Man könnte auf den
Gedanken kommen, Eyssen sei selbst Rechtsmediziner mit immenser
Obduktionserfahrung – so exakt beschreibt er das was sich im Keller der Klinik
von Saint Sulpice am Rand von Hyères abspielt. Wenn Sie erst mal drei Bücher
von Eyssen gelesen haben, könnten Sie Ritter jederzeit vertreten. Denn bis
dahin sind Sie hart genug im Nehmen, auch für diesen Band, der mit einer
angespülten Leiche eines Jungen beginnt, grausam misshandelt, in einem
Mädchenkleid missbraucht und einem Müllsack entsorgt. Da liegt der Gedanke an
das katholische Internat den Ermittlern nahe. Wieder ein in sich stimmiger
Kriminalroman, der uns Isabelle Morell, deren Teenager-Tochter und Leon Ritter
auch menschlich näherbringt. Dass das Cover den Hafen von Sanary zeigt, statt
den von Lavandou, ist zu verschmerzen; da wird es niemanden geben, der das Buch deswegen kauft oder nicht kauft. Reizvoller ist Sanary eh.
Gabriela Kasperski’s Buchhändlerin Tereza Berger und die
bretonische Aussicht (Emons 13 €)
Dieser zweite Roman, in dem sich die Buchhändlerin Tereza Berger auf Verbrecherjagd begibt, hat mir deutlich besser gefallen als sein Vorgänger ( http://lustaufprovence.blogspot.com/2020/08/kasperskis-frauen-von-camaret.html ), denn dieses Mal stehen die Verbrechen und deren Aufklärung weit mehr im Mittelpunkt.
Spannend und mit vielen Facetten |
Es wird spannend, auch weil der Bogen von der Landung der Alliierten über die Resistance bis zur Force de Frappe gezogen wird und sogar die Protagonistin selbst als Köchin einer verdorbenen Fischsuppe in Verdacht gerät. Das Buch erfordert konzentriertes Lesen: Fast zu viele Handlungsstränge und Personen, um den leichten Überblick zu behalten. Aus den vielen Ideen hätte Kasperski statt einem leicht zwei gute Romane machen können. Bevor er anfing einen seiner Maigrets zu schreiben, hat Georges Simenon auf einem halben Blatt Papier alle Personen mit ihren Charaktereigenschaften und deren Beziehungen untereinander und dann noch die wichtigsten Locations skizziert. Wo Simenon mit A5 ausgekommen ist, würde Kasperski wahrscheinlich A3 nicht genügen.
Einige inhaltliche Unstimmigkeiten hätte das Lektorat, gibt es sowas heute überhaupt noch (?), ausmerzen müssen. Erstens ist in Deutschland wie in Frankreich ein Kriminalist kein Kriminologe oder umgekehrt. In der Schweiz ist die Abgrenzung weniger ausgeprägt ; der Studiengang Kriminalwissenschaften (Sciences Criminelles), den es nur an der Universität Lausanne gibt, ist ein gutes Beispiel dafür. Zweitens sollte, wenn eine Crémant-Flasche auf Seite 217 geöffnet wird, auf Seite 218 kein Champagner versickern. So etwas wäre, gerade in Frankreich, niemandem egal! Sorry für diese Krittelei.
Insgesamt aber eine wunderbare Strandlektüre, die man durchaus nicht nur in der Bretagne lesen sollte, sondern auch im Languedoc oder an Deck eines Hausbootes in Burgund - soweit man da nicht von den vielen Schleusen viel zu oft unterbrochen wird.
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