Samstag, 9. Juli 2016

Tarascon und Beaucaire: Ungleiche Geschwister

Die Frage, ob jemand aus Tarascon der typische Vertreter des verschmitzten, aufschneiderischen, gestenreichen Südfranzosen ist, hat Alphonse Daudet diplomatisch unbeantwortet gelassen:
"In Frankreich stammt jeder irgendwie aus Tarascon."
In seinem Buch über den Tartarin hat er das ganz anders dargestellt.


Beaucaire: Jahrhundertelang einer der wichtigsten  Handelsplätze. Hunderte von
Messeständen wurden unterhalb des Chateau errichtet.             Bild Wiki cc


Umfassende Darstellung von Maurice Contestin
Auch heute noch übrigens. Denn fast scheint es eine Eigenart zu sein, daß man in Tarascon nicht weiß, wo Beaucaire liegt - auf der genau gegenüberliegenden Seite der Rhone nämlich. Unterstützt wird das durch den Stadtplan des Office de Tourisme, auf dem die westliche Welt in der Mitte des Flusses aufhört. Vielleicht ist dies eine späte Rache der ehemals armen Verwandschaft. Schließlich war die Messestadt Beaucaire über Jahrhunderte eine sehr reiche Stadt und in Tarascon wohnte nur der, der sich Beaucaire nicht leisten konnte.

Alexandre Dumas verglich Beaucaire mit „den südamerikanischen Riesenschlangen, die alles an einem Tag essen und dann sechs Monate verdauen“. Die Stadt lebe „das ganze Jahr von seiner Messe, deren Ruf über ganz Europa verbreitet ist“. Als Moritz Hartmann um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Messe besuchte, fiel ihm ein vierzehnjähriges Mädchen aus Hessen auf, das „in seinem kurzen Röckchen, mit dem schwarzen Samtkäppchen an einen Baum gelehnt, deutsche Volkslieder, das halbe ‚Wunderhorn’ herabsingt.“

Die Messe fand er als „Leipzig des Südens“ selbst zu dieser Zeit noch beeindruckend.

„Die Basars und Zelte sind Schatzkammern der kostbarsten Gold- und Silbergeräte und der edelsten Stoffe aus Orient und Okzident.“
Allerdings war dies alles nur noch ein Schatten, ja nachgerade nichts gegenüber dem mittelalterlichen Markt. Zu jener Zeit steuerten große genuesische und venezianische Schiffe die Rhone stromauf, „und brachten ihre morgenländischen Schätze mit, um sie an die reichen Seigneurs des südlichen Frankreich oder an die Kaufherren des goldenen Burgund zu verkaufen oder sie gegen die Erzeugnisse der klugen Flammänder von Brügge und Gent auszutauschen, die ihnen hierher entgegenkamen. Mailand schickte seine Juweliere und Goldschmiede, Toledo seine Schwertschmiede.“
Selbst die als Korsaren gefürchteten Schiffer aus Tripolis segelten nach Beaucaire unter friedlicher Flagge.

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