Das sind schon gute Voraussetzungen für dieses Buch: Nicht nur der provenzalische Vorname Magali, sondern vor allem die Tatsache, daß die Autorin jahrelang an der Côte d’Azur lebte und forschte und daß sie dort Gelegenheit fand, etwa mit dem Neffen Lion Feuchtwangers zu sprechen oder mit Camille Bondy, die mit ihrem Mann Walter fotografierend und malend zu den wichtigsten Zeugen der Geschichte der deutschen Literatur in Sanary-sur-Mer gehörte. Ludwig Marcuse machte aus dem unbedeutenden und daher für viele der Exilanten noch bezahlbaren Ort auch gleich die „Hauptstadt der deutschen Literatur. Nicht ganz zu Unrecht, wenn man sich die Liste der Autoren und Maler auf der Gedenkplakette am Hafen ansieht.
Uferpromenade in den 1930er Jahren und die erweiterte Gedenktafel von 2011 |
Wenn man das Buch, ohne die Autorin zu kennen, in die Hand nimmt, könnten einem schon Bedenken kommen: Eine Verfasserin aus dem akademischen Lehrbetrieb, ein umfangreiches Register, eine
Auswahlbibliographie mit Primär- und Sekundärliteratur sowie knapp 150 Fußnoten…und trotzdem kann man es einfach so und mit Freude lesen. Bei aller inhaltlichen Substanz ein Buch, das Ihnen im Sommerurlaub an der Côte oder in der Provence so gefallen wird, daß Sie nun plötzlich nicht anders können als nach Sanary zu fahren, um dort den Spuren der Maler und Schriftsteller zu folgen, die sich vor allem in den 1930er Jahren hier aufgehalten haben.
Wer konnte, der floh, vor allem in die Vereinigten Staaten, viele mit Hilfe des Teams von Varian Fry, der rund zweitausend Menschen vor der Inhaftierung durch die französische Polizei oder die Gestapo bewahrte. Vor allem in Los Angeles haben sich „die üblichen Verdächtigen“ – von Lion Feuchtwanger über die Manns bis zu Bert Brecht – dann wieder getroffen. Für Feuchtwanger Anlaß genug, dort ein „gigantisches Sanary“ zu sehen.
Wenig bekannt aus Sanary ist die Geschichte des deutschen Soldaten Oswald Hartmann. Obwohl Sanary durch die Nähe zu Toulon in dem von den deutschen Besatzungstruppen erwarteten Landungsgebiet der Alliierten lag, blieb die Stadt weitgehend unzerstört. Zu verdanken hatte sie das Oswald Hartmann, einem Leutnant der Wehrmacht, der im Januar 1944 von der russischen Front ans Mittelmeer verlegt wurde. Hier organisierte er die Verminung von Hafen und Altstadt. Als die Sprengung angeordnet wurde, hat er dann die Verbindung zwischen dem Sprengzünder und den Minen durchtrennt. Hartmann blieb sogar nach dem Krieg in Sanary und half als Leiter eines zivilen Räumkommandos über zwei Jahre hinweg den engen Teppich von über 90.000 Minen wieder zu entfernen.
Nieradka-Steiner mit ihren Kollegen Azuélos und Wallace im Galli Theater in Sanary |
Magali Nieradka-Steiner: Exil unter Palmen. Theiss/WBG, Darmstadt 2018.
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