Samstag, 8. September 2018

Tarascon, Tartarin und die Hasenjagd und das Nr.1-Restaurant in Beaucaire

"Der Flinke" - dreidimensional
(siehe die Schatten der Ohren) in Tartarins Haus
An einem Sonntag muß Gustave Flaubert Tarascon besucht haben und fand keine Menschenseele vor; sie „gleicht einer Stadt, deren sämtliche Einwohner ausgewandert sind.“ Kein Wunder, denn Sonntag für Sonntag, so beschreibt das Alphonse Daudet in seinem "Tartarin", sonntags greife ganz Tarascon zu den Waffen, „verläßt, den Rucksack auf dem Rücken, die Stadt und begibt sich, das Gewehr auf den Schultern, mit kläffender Meute, Frettchen, Trompeten und Jagdhörnern ins Gelände. Das ist ein herrlicher Anblick - leider fehlt das Wild, es fehlt vollständig.“

Der letzte verbliebene Hase wurde mit dem Beinamen „Der Flinke“ geadelt und unter Naturschutz gestellt. Und dann, was machen diese Heerscharen von Jägern? „Lieber Gott, sie ziehen zwei oder drei Meilen aufs Land hinaus, bilden kleine Gruppen zu fünft oder sechst und strecken sich friedlich im Schatten eines Brunnens, einer alten Mauer oder eines Olivenbaums aus, ziehen aus ihren Jagdtaschen ein schönes Stück geschmortes Rindfleisch, rohe Zwiebeln, Würstchen und eine Büchse Anchovis hervor und beginnen endlos zu frühstücken. Dieses Frühstück begießen sie dann mit einem süffigen Rhônewein, der zum Lachen und Singen anregt.“

Tartarin, in afrikanischer Ausrüstung, auf Hasenjagd vor Tarascon. Postkarte von ca 1930.

Wenn dann dem Wein die Ehre getan ist, begibt man sich auf die Jagd. Und für Daudet und Tartarin heißt das: „Jeder der Herren packt seine Mütze, schleudert sie mit aller Kraft in die Luft und schießt nach ihr mit Fünfer-, Sechser- oder Zweierschrot. Wer die meisten Treffer in seiner Mütze erzielt, wird zum Jagdkönig ausgerufen und kehrt am Abend, die durchlöcherte Mütze auf dem Gewehr, im Triumph mit Hundegebell und Fanfarengeschmetter nach Tarascon zurück.“ Bei allem Schwindel hat der Schwindel aber seine Grenzen: „Es gibt sogar Hutmacher, die den Ungeschickten die Mützen schon durchschossen und zerfetzt verkaufen, aber man weiß nur vom Apotheker, daß er so etwas kauft. Das gilt als unehrenhaft.“

Wenn Sie jetzt drei Stunden, eine Minute und 56 Sekunden Zeit haben: HIER können Sie den kompletten Text hören.

Henry James besuchte Tarascon für gerade mal drei Stunden und „in erster Linie aus Liebe zu Alphonse Daudet“, der gerade eine Neuauflage seines Tartarin auf den Weg gebracht hatte. Ansonsten war er von der Stadt enttäuscht.

 
Sicher, da sei das Schloß, aber besonders auffallend sei eigentlich nur die „lebhafte Schläfrigkeit“ des Ortes, eine andauernde Sieste, bei der sich ein Septembernachmittag bis in den Oktober hinziehe.

Hauseingang von Tartarin
Am Maison de Tartarin fährt man leicht vorbei, weil es völlig untartaringemäß, da unauffällig, am Boulevard Itam liegt. Einzelne Räume, zum Beispiel das Kaminzimmer mit den vergifteten Pfeilen und der Garten, wurden entsprechend den Schilderungen Daudets angelegt.

Der Garten geht allerdings hinaus auf eine Umgebung, wo selbst hochgewachsene Palmen die schon von Wolfgang Koeppen beklagten Betonhäuser nicht verstecken. „Kalt, nüchtern, häßlich und unsagbar trostlos“ fand er Tarascon und befindet sich damit im Widerspruch zu Joseph Roth: „Eine helle, kleine, freundliche, gutmütige, ein bißchen kümmerliche Stadt, ein bißchen komische Stadt. Ihre angesehenen Bürger träumen noch heute von Löwenjagden.“


Zu Mittagessen einmal über die Brücke:
Nach Beaucaire zu Cécile
Wer auf den Spuren von Tartarin hungrig geworden ist, der fährt über die Brücke nach Beaucaire und geht zu "Cécile", deren Restaurant und Lebensmittelgeschäft an einem stillen Platz mit hohen Platanen gleich an der Stadtmauer (Place de la République) liegt.
Fast keine Auswahl, aber ein täglich frisches Menue und ordentlichen Wein zu einem Preis, der unterhalb dessen liegt, was Sie für ein Picknick ausgeben werden. Völlig unscheinbar, aber völlig zu recht von den Trip-Advisor-Bewertern als Nr.1  von sechsunddreißig Restaurants in Beaucaire eingestuft.

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